Herzlich willkommen auf meinem Mangablog. Hier findet ihr Rezensionen zu deutschen und englischen Manga sowie Beiträge über Themen und Aspekte, die mich an dem Medium interessieren. Ab und an schaue ich auch über den Tellerrand hinaus und schnuppere in Comic-Kunst abseits Japans hinein.

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Zwischen Tradition und Shonen-Dynamik: Akane-Banashi als neues Fenster in die Welt des Rakugo

[Werbung: Ich habe die ersten beiden Bände von Akane-Banashi von Loewe als Rezensionsexemplare erhalten]

Meine ersten Berührungspunkte mit der Kunst des Rakugo hatte ich durch Descending Stories: Showa Genroku Rakugo Shinju. Zunächst durch den Anime, anschließend entdeckte ich auch den Manga, den ich bis heute immer wieder gerne aufschlage.

Umso mehr habe ich mich gefreut, als ich von einem weiteren Manga zu dieser Erzählkunst hörte: Akane-Banashi. Seitdem verfolge ich ihn regelmäßig in der Mangaplus-App und habe mich sehr gefreut, als die Serie nun endlich auch in Deutschland lizenziert wurde.

Die Manga-Reihe Akane-Banashi von Autor Yuki Suenaga und Zeichner Takamasa Moue erzählt die Geschichte von Akane Arakawa, die den Traum verfolgt, eine erfolgreiche Rakugo-Erzählerin (Rakugoka) zu werden und dabei gleichzeitig ihren Vater zu rehabilitieren, der vor Jahren aus dem Rakugo-Handwerk ausgeschlossen wurde. Auf ihrem Weg durch die klassischen Ausbildungsstufen – vom Zenza, dem Eröffnungsakt, bis hin zum Shinuchi, der Spitzenklasse des Rakugo – lernt sie nicht nur Techniken und Kniffe der Erzählkunst, sondern kämpft auch gegen Vorurteile und Hindernisse, die ihr entgegenstehen. Bereits in den ersten beiden Bänden entsteht so ein Spannungsfeld zwischen dem Streben nach künstlerischer Perfektion, dem familiären Erbe und den Herausforderungen einer nach wie vor stark männerdominierten Branche.

Faszination Rakugo in moderner Form

Akane-Banashi präsentiert Rakugo auf eine Art und Weise, die für ein jüngeres und internationales Publikum gleichermaßen zugänglich ist und haucht so der Kunst, die in der Edo-Zeit (1603–1868) entstanden ist, neues Leben ein. Die Kunst des Rakugo besteht darin, dass ein einzelner Performer in kniender Haltung eine Geschichte vorträgt und verschiedene Figuren allein durch Gestik, Mimik und stimmliche Nuancen zum Leben erweckt. Requisiten beschränken sich meist auf einen Fächer (Sensu) und ein Tuch (Tenugui). Trotzdem können verschiedenste Szenen und Atmosphären entstehen: Von der ausgelassenen Komödie bis hin zum nachdenklichen Drama.

In Akane-Banashi gelingt, die Essenz dieser reduzierten Darstellungsweise einzufangen und trotzdem in eine moderne Shonen-Erzählung zu überführen. Die Performances werden in den Bildern so lebendig und dynamisch umgesetzt, als wären sie actiongeladene Showdowns. Dramatische Schraffuren, intensive Gesichtsausdrücke und eine gewisse Übertreibung der Körpersprache tragen dazu bei, dass die Lesenden die Energie spüren, die in einem Rakugo-Auftritt steckt. Damit ist das Werk nicht nur informativ in Bezug auf das Handwerk selbst, sondern fesselt auch durch seine emotionale Bildsprache, die vermittelt, wie stark ein einziger Erzähler ein ganzes Publikum in seinen Bann ziehen kann.

Ein entscheidendes Element des Realismus ist die Mitarbeit des professionellen Rakugoka Keiki Hayashiya, wodurch die Darstellung der Vortragsweise, der Hierarchien in der Rakugo-Schule und der Stimmung in traditionellen Theatern besonders glaubwürdig wird. Dank der fundierten Recherche kann Akane-Banashi Einsteigern einen realistischen Eindruck vermitteln, ohne dabei auf Spannung und Dramatik zu verzichten.

Akane-Banashi im literarischen Vergleich

Vor Akane-Banashi war Descending Stories der international bekannteste Manga über die Kunstform Rakugo. Wenn man Akane-Banashi mit Descending Stories vergleicht – zugegeben eines meiner absoluten Lieblingswerke und leider immer noch nicht auf Deutsch erschienen – , treten deutliche Unterschiede in der Erzählhaltung und im thematischen Fokus zutage. Dies ist natürlich zum Teil auch Zielgruppen und dem Handlungszeitpunkt bedingt. Dennoch würde ich für den Einstieg ins Thema Rakugo inzwischen eher Akane-Bashi empfehlen.

Descending Stories ist stark in der (nach)kriegszeitlichen Epoche Japans verwurzelt und beleuchtet über mehrere Jahrzehnte hinweg das Leben zweier Rakugo-Meister. Das Werk greift Themen wie Liebe, Rivalität, Verlust und den Zerfall einer alten Kunst in der modernen Welt auf. Dabei liegt ein Schwerpunkt auf den zwischenmenschlichen Beziehungen und dem Drama, das sich über mehrere Generationen hinweg entfaltet.

Akane-Banashi hingegen spielt im Hier und Jetzt. Während Descending Stories ein eher erwachsenes, teils melancholisches Licht auf die historische Entwicklung des Rakugo wirft, konzentriert sich Akane-Banashi auf den jugendlichen Enthusiasmus der Protagonistin Akane. Sie ist keine Randfigur in einer überwiegend männlichen Umgebung, sondern behauptet sich in einer Branche, in der Frauen nur eine Minderheit darstellen.

Zudem geht Akane-Banashi stärker darauf ein, dass Rakugo trotz aller Tradition Raum für individuelle Stilmittel bietet: Jeder Rakugoka hat seine eigene „spezielle Technik“ – fast wie eine Superkraft in einem typischen Shonen. Bei Descending Stories steht hingegen die Bewahrung eines bedrohten Kunsthandwerks und die persönliche Tragik der Figuren über lange Zeiträume im Mittelpunkt. Kurzum: Wer ein atmosphärisch dichtes Epos über Tradition und Wandel sucht, wird in Descending Stories fündig. Wer hingegen einen zeitgenössischeren Zugang bevorzugt, der an Sport- oder Wettbewerbsmanga erinnert, sollte zu Akane-Banashi greifen. Auch in der Darstellung der Auftritte unterscheiden sich die beiden Werke deutlich: Während Descending Stories dynamische Auftrittsszenen gekonnt andeutet, erreicht Akane-Banashi hier eine völlig andere, sehr energiegeladene Dimension.

Zeichnungen und Erzählstil

Die Illustrationen von Takamasa Moue stechen besonders durch ihre Dynamik hervor. Mimiken sind oft übertrieben oder stark akzentuiert, was die szenische Darstellung von Rakugo-Auftritten unterstützt. In den Sequenzen, in denen Akane oder andere Figuren ihre Geschichten vortragen, verschmelzen die Grenzen zwischen ihrer realen Bühnenpräsenz und der fiktiven Welt der Erzählung. Durch diese Verschmelzung wird die Essenz von Rakugo, nämlich das komplette Eintauchen in die Geschichte mit minimalen Hilfsmitteln, auf packende Weise greifbar.

Zudem wird jeder Rakugoka in Akane-Banashi mit einem eigenen Stil charakterisiert. Dabei wird klar, dass Rakugo feste Regeln und Traditionen kennt, aber zugleich Freiräume für persönliche Interpretationen bietet. Suenaga und Moue vermitteln dies, indem sie die Auftritte mal humorvoll, mal dramatisch, aber stets von einer spürbaren Leidenschaft für die Kunst untermalen.

In vielen Panels arbeitet Moue mit starken Kontrasten zwischen Licht und Schatten, um die Konzentration des Publikums und die Spannung auf der Bühne zu verdeutlichen. Wenn Akane eine Pointe liefert oder eine dramatische Szene darstellt, fühlt man sich beinahe wie in einem Theater, in dem alle Blicke gebannt auf sie gerichtet sind. Gleichzeitig lockern witzige, gelegentlich fast karikatureske Zeichnungen das Geschehen auf, wodurch die Bandbreite an Emotionen – von unbeschwertem Humor bis hin zu ernsten, tief berührenden Momenten – eindrucksvoll abgedeckt wird.

Ein moderner Shonen mit Rakugo-Fokus

Obwohl Rakugo eine alte Kunst ist, nimmt Akane-Banashi strukturell viele Elemente typischer Shonen-Manga auf.  Es spiegeln sich Shonen-typische Erzählstrukturen in den Rivalitäten wider. Gerade die Interaktion mit anderen Nachwuchs-Rakugoka erinnert an den Wettkampfgeist aus Kampf- oder Sportmanga. Aus jeder neuen Herausforderung zieht Akane eine Lehre für ihre weiteren Auftritte, bei denen sie versucht, das Publikum zu begeistern und künstlerische Neugier zu wecken. Diese Betonung von Training, Fortschritt und Bewährung macht Akane-Banashi zu einer passenden Lektüre für Fans des Genres.

Die klassischen Shonen-Elemente zeigen sich nicht nur in Akanes Streben nach Exzellenz, sondern auch in der Ausarbeitung des Mentor-Schülersystems. Nachdem ihr Vater vom Rakugo-Meister Issho Arakawa ausgeschlossen wurde, sucht Akane Halt beim erfahrenen Lehrer Shiguma, der selbst eine höchst eigenwillige Art des Geschichtenerzählens pflegt. Durch ihn erfährt Akane, dass es beim Rakugo zwar feste Regeln gibt, aber auch Raum für eine persönliche Note.

Zudem trifft Akane immer wieder auf andere Lehrlinge, die sie in ihrer künstlerischen und persönlichen Entwicklung herausfordern. Manche Rivalitäten entstehen, weil andere Schüler nicht glauben, dass eine junge Frau in diesem Metier erfolgreich sein kann, während andere Figuren sie schlicht als Konkurrentin um die Gunst des Publikums sehen. Diese abwechslungsreiche Konkurrenzsituation verleiht der Handlung zusätzliche Spannung und erhöht den Drang, sich in jeder Vorstellung zu beweisen.

Weibliche Perspektiven und Diversität im Rakugo

Ein spannender Aspekt ist die geschlechtsspezifische Zusammensetzung des Rakugo-Umfelds. Laut Statistik machen Frauen in Tokio nur etwa fünf Prozent der dortigen Rakugoka aus. Diese Realität spiegelt sich in Akane Banashi: Akane ist eine von wenigen Frauen im Rakugo-Bereich, doch im Manga wird dies eher als Fakt, statt als zentrales Problem inszeniert. Zwar tauchen gelegentlich Momente auf, die deutlich machen, dass Frauen in diesem männlich dominierten Berufsfeld mit besonderen Vorurteilen kämpfen, doch die Serie konzentriert sich vorrangig auf Akanes Talent, Motivation und Entwicklung zur Meistererzählerin.

Zugleich führt die Geschichte weitere weibliche Figuren ein, etwa Koragi Hikaru, die als Synchronsprecherin arbeitet und durch ihre Rakugo-Auftritte beweisen will, dass sie mehr ist als nur ein hübsches Gesicht. Auch hier setzt Akane-Banashi nicht auf eindimensionale Konflikte oder platte Rivalitäten, sondern zeigt vielmehr, wie jede Figur persönliche Ziele verfolgt und diese auf eigene Art verwirklicht. Anders als in manchen älteren Shonen-Titeln werden die Frauenfiguren nicht nur als Stichwortgeberinnen für die Hauptfigur benutzt, sondern selbst Teil des künstlerischen Umfelds.

Fazit

Bereits in den ersten beiden Bänden von Akane-Banashi wird deutlich, wie geschickt Suenaga und Moue traditionelle japanische Kultur mit zeitgemäßen Erzählformen verknüpfen. Für alle, die die Welt des Rakugo noch nicht kennen, bietet der Manga einen hervorragenden Einstieg in eine außerhalb Japans eher selten beleuchtete Kunstform.

Verglichen mit Descending Stories: Showa Genroku Rakugo Shinju zeigt sich Akane-Banashi deutlich leichter zugänglich und aktionsorientierter. Während Descending Stories ein eher reifes, teils düster-melancholisches Porträt von Rakugo-Meistern vor historischem Hintergrund zeichnet, stellt Akane-Banashi den jugendlichen Elan seiner Titelheldin und ihren Kampf gegen Ungerechtigkeiten in den Vordergrund. Beide Werke ergänzen sich, indem sie verschiedene Facetten derselben Tradition beleuchten: das eine introspektiver, das andere energiegeladen und modern.

So oder so überzeugt Akane-Banashi als gelungene Mischung aus klassischer Erzählkunst und temporeichem Shonen-Drama. Wer Lust hat, in eine authentische japanische Unterhaltungsform einzutauchen und gleichzeitig eine coming-of-age-geprägte Geschichte zu verfolgen, sollte diesen Manga unbedingt im Blick behalten. Die ersten beiden Bände legen ein starkes Fundament für einen fortlaufenden Plot, der sowohl alteingesessene Rakugo-Liebhaber als auch Neulinge zu fesseln vermag.

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