Herzlich willkommen auf meinem Mangablog. Hier findet ihr Rezensionen zu deutschen und englischen Manga sowie Beiträge über Themen und Aspekte, die mich an dem Medium interessieren. Ab und an schaue ich auch über den Tellerrand hinaus und schnuppere in Comic-Kunst abseits Japans hinein.

Talk to my Back - Manga Review

Talk to My Back

Yamada Murasaki ist eine Mangaka, die auf dem internationalen Markt bisher keine bis nur wenige Beachtung erfahren hat. Das ändert sich jetzt durch den Comic-Verlag “Drawn & Quarterly”, der sich im Manga-Bereich auf alternative Manga und ältere Werke spezialisiert hat. 

Dort erschien im Juli 2022 der Manga “Talk to My Back”. Im Juni 2024 folgte mit “Second Hand Love” ein weiteres Werk der Mangaka. 

In Japan erschien “Talk to My Back” seit 1981 im bekannten Garo-Magazin. Später wurde das Werk mehrmals als Sammelband veröffentlicht. 

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Story & Zeichnungen: Yamada Murasaki | Originaltitel: Shin Kirari | Genre: Drama| Verlag: Drawn & Quarterly | Preis: ca. 26,00€ | Der Manga bei Drawn & Quarterly

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Wie war’s?

Muss eine Frau zwangsläufig durch die Rollen, die sie in der Gesellschaft spielt, definiert und in eine Schublade gesteckt werden? Oder kann sie endlich darauf hoffen, ein freier Mensch zu sein? Bei der Lektüre von Yamada Murasakis “Talk to My Back” wird klar, dass diese Freiheit im Japan der 1980er Jahre schwer zu finden war. Die Protagonistin des Mangas, Chiharu, versucht dennoch mit aller Kraft, sich von der einfachen Etikettierung als Ehefrau und Mutter zu befreien.

Der Band ist in kurze Kapitel unterteilt, die sich jeweils auf eine bestimmte Episode konzentrieren. Alltägliche Momente, kleine Alltagskämpfe, eine junge Frau, die sich bemüht, nicht unsichtbar zu werden, fast so, als wäre sie ein Teil des Hauses, in dem sie lebt, an das sie wie ein Fluch gebunden ist.

Ein immer wiederkehrendes Thema in Chiharus Leben ist die Einsamkeit: Das erste Kapitel des Bandes trägt den bezeichnenden Titel ” Lonely Cinderella”. Der Ehemann der Protagonistin hat kein Problem damit, spät von der Arbeit nach Hause zu kommen oder sogar über Nacht wegzubleiben. Die Momente, in denen seine Frau die beiden kleinen Töchter zu Bett bringt, sind die Momente, in denen sie nicht mehr weiter weiß und die Melancholie und Einsamkeit sie ganz einhüllt. “The TV is on, but I don’t watch it . . . I have a book open, but I don’t read it . . . Eventually I come to, and realize that I’m hardly here.” Dann schlägt die Uhr und der Bann ist gebrochen. Zeit für den Abwasch. Am Ende des Kapitels steht Chiharu alleine da, umarmt von einem Phantompartner. 

Der Band beginnt mit kurzen Vignetten einer jungen Hausfrau, Mutter zweier Töchter, die das tut, was manche als Frauenarbeit bezeichnen: hinter den Kindern aufräumen, ihrem Mann ein spätes Abendessen zubereiten, mit ihren Kindern spielen, einkaufen gehen, sich mit den Forderungen der Nachbarn auseinandersetzen und verzweifelt versuchen, ihren Mann dazu zu bringen, sich an der Haushaltsführung zu beteiligen. Sie liebt ihre Töchter, ärgert sich aber gleichzeitig darüber, wie viel sie von ihr verlangen. Schlimmer noch, je älter sie werden, desto weniger brauchen sie sie, was zu einer einsamen Leere führt.

Auch ihr Mann ist oft nicht zu Hause, weil er vorgibt, immer bei der Arbeit zu sein, obwohl die Streichholzschachteln der Lovehotels etwas anderes vermuten lassen. Wenn er zu Hause ist, behandelt er sie wie ein Dienstmädchen und ruft sie sogar aus dem anderen Zimmer zu sich, damit sie für ihn den Sender wechselt, anstatt aufzustehen.

Sie rebelliert und ihr Mann entfernt sich immer mehr von ihr. Sie nimmt einen Teilzeitjob an, entdeckt die Herstellung von Puppen und beginnt ein Leben, in dem sie fast glücklich ist. Der Humor ist leise, die Melancholie überwältigend. Chiharu ist hungrig nach Leben, nach Spaß, nach Freude: Sie liebt es, barfuß durch den Regen zu laufen, sie hat Fähigkeiten und Talente und will nicht unsichtbar werden, um anderen zu gefallen.

Die Geschichten in “Talk to my Back” sind Geschichten über eine Frau, die in einem Leben gefangen ist, das ihr keinen Respekt einbringt, ihr aber eine große Verantwortung auferlegt: Sie versucht, ihre Kinder nicht zu verletzen; sie versucht, von ihrem Mann nicht verletzt zu werden; sie versucht, sie selbst zu bleiben und nicht die Verkörperung, die schlechte Mutter, die zickige Ehefrau. Das gelingt ihr nicht immer. Aber sie versucht es.

Wenn es ein Wort gibt, mit dem man Murasakis Illustrationen beschreiben könnte, dann wäre es “minimalistisch”.  Zarte, schwungvolle Linien durchziehen die Seiten.  Das verleiht den sonst so nüchternen Figuren eine gewisse Anmut. So gelingt es ihr, eindrucksvolle und kraftvolle Momente einzufangen, sei es der leere Raum in einem Flur, in dem eine einsame Frau ihren Mann vermisst, oder dieselbe Frau, die mit ihren Kindern die Wolken in einer Pfütze beobachtet.

Das Buch wird von einem Essay des Übersetzers Ryan Holmberg begleitet, der Murasakis Rolle im Bereich der klassischen Manga in den richtigen Kontext stellt und zeigt, warum sie ihrer Zeit oft voraus war, nicht nur durch die Wahl ihres Themas, sondern auch durch die subtile Art und Weise, in der sie Fragen im Zusammenhang mit den feministischen Debatten ihrer Zeit ansprach. So spiegeln Chiharus beginnende finanzielle Unabhängigkeit und ihr kreatives Hobby Murasakis eigenes Leben wider, wie wir in Holmbergs Essay erfahren. Murasaki hörte nach ihrer Heirat auf, Comics zu zeichnen, begann aber schließlich heimlich wieder damit. Sie hatte Angst, dass ihr Mann sie umbringen würde, aber um ihn verlassen zu können, brauchte sie Geld, und sie wusste, dass sie mit Comics Geld verdienen konnte. Sie rief Redakteure von öffentlichen Telefonen aus an, “schmuggelte” ihre Arbeiten aus dem Haus und traf sich mit Redakteuren in Cafés. 1981 gelang es ihr schließlich, sich von ihrem Mann zu trennen. 

Die Lektüre dieses Buches ist unerlässlich, wenn man die Hintergründe dieses Mangas verstehen oder mehr über die Künstlerin dahinter erfahren möchte.

Drawn & Quarterly veröffentlicht “Talk to my Back” im Großformat. Hervorzuheben ist die Qualität des Papiers. Auch an anderen Details merkt man, dass sich der Verlag viel Mühe gegeben hat. Es gibt einige farbige Seiten und einen farbigen Einband im Inneren des Buches. 

Fazit

“Talk To My Back” ist eine komplizierte, aber fesselnde Sammlung von Gefühlen und alltäglichen häuslichen Kämpfen.  Dennoch ist der Manga meiner Meinung nach zugänglicher, als es auf den ersten Blick scheinen mag, und auch wenn man sonst nicht viel mit Garo-Werken anfangen kann, wird man sich auf diesen Manga schnell einlassen können.

Wer einen intensiven Manga sucht, der sich mit der Rolle der Frau in der japanischen Gesellschaft auseinandersetzt, ist hier auf jeden Fall an der richtigen Adresse. 

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