[Anzeige, da Rezensionsexemplar]
Fool Night war mir vor einigen Monaten bereits bei den US-Neuankündigungen aufgefallen, umso erfreuter war ich, dass der Titel durch Carlsen Manga nun auch seinen Weg nach Deutschland findet. Fool Night wird von Mangaka Kasumi Yasuda gezeichnet und erscheint seit November 2020 in der Seinen-Zeitschrift Big Comic Superior.
In Japan umfasst die Reihe derzeit acht Bände (Stand August 2024). Für Yasuda ist es die erste Veröffentlichung auf dem deutschsprachigen Markt.
Text & Zeichnungen: Kasumi Yasuda | Originaltitel: Fool Night | Übersetzung: Gandalf Bartholomäus | Genre: Drama, Science-Fiction, Dystopie | Verlag: Carlsen Manga | Preis: 8,00€ | mehr Informationen auf der Verlagsseite
Wie war’s?
In der Welt von “Fool Night” herrscht seit über einem Jahrhundert eine unnatürliche Dunkelheit, verursacht durch dichte Wolken, die das Sonnenlicht fast vollständig blockieren. Diese dauerhafte Verdunkelung führte zu einem dramatischen Rückgang des Sauerstoffgehalts auf der Erde, was das Überleben der Menschheit stark gefährdete. Um dieser Bedrohung entgegenzuwirken, entwickelte die Menschheit eine revolutionäre Technologie namens „Transfloration“. Bei diesem Verfahren werden spezielle Samen in den menschlichen Körper eingebracht, die den Träger allmählich in ein pflanzenähnliches Wesen namens „Seelenblume“ verwandeln. Diese Seelenblumen sind in der Lage, Sauerstoff zu produzieren, und stellen somit eine lebenswichtige Ressource in dieser erstickenden Welt dar. Aufgrund der Komplexität und der Risiken des Verfahrens können jedoch nur wenige, ausgewählte Menschen einer solchen Behandlung unterzogen werden. Die Auserwählten erhalten als Gegenleistung für ihre Transformation zehn Millionen Yen, ohne weitere Bedingungen. Für viele bedeutet diese Summe eine existenzielle Rettung, eine Möglichkeit, ihrem schwierigen Leben zu entkommen.
Der Protagonist der Geschichte, Kamiya, steht vor einer solchen Entscheidung. Kamiya ist ein Schulabbrecher, der täglich um sein Überleben kämpft und sich zudem um die teuren Medikamente für seine kranke Mutter kümmern muss. Seine Lebensumstände verschlechtern sich zusehends, bis er schließlich keinen anderen Ausweg mehr sieht, als sich dem Transflorationsverfahren zu unterziehen. Der Gedanke an die zehn Millionen Yen, eine Summe, die sein Leben grundlegend verändern könnte, treibt ihn schließlich dazu, die ungewisse Prozedur auf sich zu nehmen. Nach dem Eingriff stellt Kamiya überrascht fest, dass er eine besondere Fähigkeit erlangt hat: Er kann die Geräusche, die von den Seelenblumen ausgehen, in verständliche Worte übersetzen. Diese einzigartige Gabe macht ihn zu einer wertvollen Ressource für die Regierung, die ihn bald für spezielle Aufträge rekrutiert, bei denen es um die Seelenblumen und ihre Geheimnisse geht.
Yasuda erschafft in „Fool Night“ eine tiefgreifend dystopische Welt, die durch ihre beklemmende Atmosphäre und die emotionale Schwere der Ereignisse nachhaltig beeindruckt. Besonders gelungen ist die Darstellung von Kamiyas unaufhaltsamem Absturz: Von einem ohnehin schon schwierigen Leben in die völlige Hoffnungslosigkeit. Seine Entscheidung, sich selbst zu vergiften, um sich auf die Transflorationsliste setzen zu lassen, ist ein eindringliches Beispiel für die moralischen Kompromisse, die die Menschen in dieser verzweifelten Welt eingehen. Es ist ein Akt der Verzweiflung, der verdeutlicht, wie tief die Gesellschaft in ihrer Not gesunken ist. Yasuda zeigt mit erschreckender Klarheit, wie der Überlebenswille in dieser düsteren Realität die Menschen zu extremen Entscheidungen zwingt, bei denen ethische Grundsätze oft auf der Strecke bleiben.
Die visuelle Umsetzung von “Fool Night” verstärkt die ohnehin schon bedrückende Atmosphäre der Geschichte und trägt maßgeblich zur intensiven Stimmung bei. Yasuda nutzt gekonnt den Kontrast von Licht und Schatten, um die allgegenwärtige Bedrohung und die tiefe Hoffnungslosigkeit unter dem ständig schwarzen Himmel einzufangen. Jede Szene ist von einer düsteren, fast greifbaren Schwere durchzogen, die den Leser in die klaustrophobische Welt von “Fool Night” hineinzieht. Besonders faszinierend und gleichzeitig verstörend sind die Seelenblumen, die in dieser Welt entstehen. Trotz ihrer pflanzlichen Natur behalten sie menschliche Züge, was sie zu einer unheimlichen Mischung aus Schönheit und Schrecken macht. Diese Geschöpfe verkörpern den Verlust der Menschlichkeit und erinnern daran, dass die Grenze zwischen Mensch und Natur in dieser dystopischen Welt zunehmend verschwimmt.
Yasudas Verwendung von Perspektive und Architektur trägt zusätzlich zur intensiven Atmosphäre bei. In den Panels gelingt es, durch geschickte Winkel und Bildkompositionen eine spürbare Spannung aufzubauen, die den Leser förmlich in die Geschichte hineinzieht. Selbst in kleineren Panels, die oft eher als Übergangsszenen dienen, fängt Yasuda durch präzise Bildausschnitte und detaillierte Darstellungen die emotionale Tiefe der Erzählung ein. Diese kleinen, aber bedeutenden visuellen Details verleihen der Geschichte eine zusätzliche Dimension und unterstreichen die innere Zerrissenheit und den emotionalen Schmerz der Charaktere.
Ein zentrales Thema des Mangas ist die Rolle von Emotionen in einer Welt, die von Leid und Unterdrückung geprägt ist. Zu Beginn der Geschichte wirkt Kamiya fast emotionslos, abgestumpft von den Härten des Lebens und den täglichen Kämpfen ums Überleben. Doch als er die Fähigkeit entwickelt, die Gefühle der Seeleblumen zu hören, beginnt er, eine neue Perspektive auf die Welt um ihn herum zu gewinnen. Diese neu entdeckte Empathie führt ihn zu tiefgreifenden Erkenntnissen über sich selbst und die Gesellschaft, in der er lebt.
Was ich etwas schade finde, ist, dass Carlsen Manga sich entschieden hat, die Reihe in seinem handelsüblichen Taschenbuchformat zu veröffentlichen. Denn auch ein Großformat hätte aufgrund des eigenwilligen, aber einprägsamen Stils durchaus gepasst.
Fazit
“Fool Night” ist ein beeindruckender Manga, der eine düstere, dystopische Welt mit einer tiefgründigen emotionalen Erzählung verbindet. Yasuda gelingt es, eine Geschichte zu erzählen, die sowohl visuell als auch inhaltlich fesselt. Die bedrückende Atmosphäre, die komplexen Charaktere und die zahlreichen ungelösten Rätsel machen “Fool Night” zu einem Werk, das insbesondere Fans von dystopischer Science-Fiction ansprechen dürfte.
Bei diesem Manga handelt es sich um ein Rezensionsexemplar, welches mir freundlicherweise von Carlsen zur Verfügung gestellt worden ist. Vielen Dank dafür!