The Heart of Thomas

Moto Hagio gehört mit zu den bedeutendsten Mangaka. In Deutschland gibt es von ihr bislang allerdings kein einziges Werk im Programm der Verlage. In den USA sieht die Sache anders aus und neben wunderschönen Hardcover-Ausgaben bei Fantagraphics haben auch andere Verlage die klassischen Werke der Mangaka für sich entdeckt. 

Sie gilt als eine der ersten Frauen, die Themen wie Homosexualität und Science-Fiction in ihren Manga angesprochen haben. Für diese Tätigkeiten wird sie unter anderem neben Riyoko Ikeda und Keiko Takemiya zur Gruppe der 24er gezählt. 

“The Heart of Thomas” ist eines ihrer bekanntesten Werke und war in den USA über die letzten Jahre verlagsvergriffen. Nun aber kommen Fans der Mangaka durch eine Neuauflage des Verlags wieder in den Genuss der Geschichte. 

Nach dem großen Erfolg von The Rose of Versailles beim konkurrierenden Verlag Shueisha bat der Herausgeber von Shukan Shojo Comic, Junya Yamamoto, Hagio, eine Serie von ähnlicher Länge und Komplexität zu entwerfen, die ursprünglich über zwei bis drei Jahre hinweg fortlaufend erscheinen sollte. Nachdem sie bereits etwa 200 Seiten von “The Heart of Thomas” gezeichnet hatte, reichte Hagio die Serie ein. Das erste Kapitel wurde am 5. Mai 1974 in der Zeitschrift veröffentlicht. Doch anders als erhofft, fand die Serie zunächst keinen Erfolg und stand sogar davor, vorzeitig eingestellt zu werden. Durch den Erfolg anderer Werke, wurde der Bekanntheitsgrad von “The Heart of Thomas” allerdings immer größer und heute gilt das Werk zu den Beliebtesten der Mangaka. 

Story & Zeichnungen: Moto Hagio | Originaltitel: Thomas no Shinzou | Genre: Drama, Romance | Demografische Zielgruppe: Shojo | Verlag: Fantagraphics | Preis: ca. 44,00€ | Der Manga bei Fantagraphics

Wie war’s?

Die Geschichte beginnt mit dem Selbstmord von Thomas Werner, einem Schüler am fiktiven Schlotterbach Gymnasium in Karlsruhe. Der feminine, schöne Thomas war in „Juli“ Bauernfeind verliebt. Doch der stets direkte Juli hatte seine Annäherungsversuche zurückgewiesen. Thomas hinterlässt einen letzten Brief an Juli, in dem er seine Liebe und Verzweiflung ausdrückt, was die Grundlage für die weiteren Ereignisse bildet.

Der Tod von Thomas wirft Schatten auf die Schule und insbesondere auf Juli, der mit Schuldgefühlen und inneren Konflikten kämpft. Juli, der zunächst wenig Interesse an Thomas hatte, sieht sich nun mit der Last seines Todes konfrontiert und entwickelt eine komplexe Mischung aus Abneigung und Schuld. Die Ankunft des neuen Schülers Erich Frühling, der Thomas zum Verwechseln ähnlich sieht, bringt zusätzliche Spannungen und führt zu weiteren emotionalen Verwicklungen. Die Geschichte entfaltet sich in einem Internat voller Geheimnisse und ungelöster Konflikte, wobei die Beziehungen zwischen den Charakteren im Mittelpunkt stehen.

Ein zentrales Thema in “The Heart of Thomas” ist die Liebe in ihren vielfältigen Formen. Hagio untersucht die Liebe nicht nur romantisch, sondern auch platonisch und familiär, und stellt die Frage, wie tief und komplex diese Emotion sein kann. Die unerwiderte Liebe von Thomas zu Juli und die daraus resultierende Verzweiflung und der Selbstmord sind der Ausgangspunkt der Geschichte. Die Beziehung zwischen Juli und Erich, die von den Schatten der Vergangenheit und den Ähnlichkeiten zwischen Erich und Thomas geprägt ist, zeigt weitere Facetten der Liebe.

Hagio gelingt es, die Liebe als eine kraftvolle und oft zerstörerische Emotion darzustellen, die die Charaktere antreibt und gleichzeitig quält. Julis innere Zerrissenheit und seine Versuche, mit seiner Schuld umzugehen, spiegeln die Komplexität der Liebe wider. Erichs anfängliche Abneigung und spätere Annäherung an Juli zeigen, wie Liebe und Verlust miteinander verflochten sind. Neben den beiden steht Oskar, Julis Zimmernachbar und Beschützer, im Mittelpunkt des Werkes. Oskar, der eine traumatische Vergangenheit hat, in der seine Mutter von seinem Stiefvater getötet wurde, entwickelt eine tiefe Bindung zu Juli. Seine Liebe zu Juli ist von Verantwortung und Fürsorge geprägt, was ihn zu einer zentralen Figur in der Dynamik zwischen den Charakteren macht.

Die Charaktere in “The Heart of Thomas” sind sorgfältig ausgearbeitet und tragen erheblich zur Tiefe der Erzählung bei. Juli ist ein komplexer Protagonist, der mit seiner Schuld und seinen eigenen Gefühlen kämpft. Erich, der neu an die Schule kommt und Thomas sehr ähnlich sieht, bringt eine neue Dynamik in die Geschichte und fordert Juli auf verschiedene Weisen heraus.  Oskar, der illegitime Sohn des Schuldirektors, der nach dem Mord an seiner Mutter durch seinen Stiefvater verlassen wurde, entwickelt eine beschützende Rolle gegenüber Juli. Seine komplizierte Vergangenheit und seine unerwiderte Liebe zu Juli fügen der Geschichte eine weitere Dimension von emotionalem Schmerz und Sehnsucht hinzu. Die Dynamik zwischen diesen Charakteren und ihren individuellen Geschichten macht die Handlung fesselnd und vielschichtig.

Moto Hagios künstlerischer Stil trägt wesentlich zur Atmosphäre des Mangas bei. Ihre Zeichnungen sind detailreich und expressiv, oft mit floralen und dekorativen Elementen, die die emotionale Intensität der Szenen unterstreichen. Die Verwendung von Symbolen wie Blumen und funkelnden Augen verstärkt die melodramatische Stimmung der Geschichte. 

Am Ende des Buches gibt es zudem einen Aufsatz von Übersetzerin Thorn, welcher weitere Einblicke in das Werk der Mangaka bietet. Fantagraphics setzt die Geschichte in einem hochwertig gestalteten Hardcover-Band um. 

Fazit

“The Heart of Thomas” ist ein komplexer und tief emotionaler Manga, der die Leserschaft durch seine vielschichtige Darstellung von Liebe, Schuld und Identität fesselt. Für Fans von Shojo-Manga und Liebesgeschichten, aber auch für Liebhaber von klassischen Manga ist Heart of Thomas ein absolutes Muss, das sowohl durch seine Handlung als auch durch seine visuelle Pracht besticht.