Herzlich willkommen auf meinem Mangablog. Hier findet ihr Rezensionen zu deutschen und englischen Manga sowie Beiträge über Themen und Aspekte, die mich an dem Medium interessieren. Ab und an schaue ich auch über den Tellerrand hinaus und schnuppere in Comic-Kunst abseits Japans hinein.

Manga Review: Hatschi - Naoki Urasawa

Hatschi!

[Anzeige, da Rezensionsexemplar]

Die meisten dürften Naoki Urasawa wohl vor allem durch Thriller und Sci-Fi-Werke wie Monster, 20th Century Boys und Billy Bat kennen. Auch weil seine comedylastigeren Werke hierzulande nie erschienen sind. In “Hatschi!” bekommt die Leserschaft nun mehr von der anderen Seite des Mangakas zu sehen. Auch wenn es auch hier die Geschichten gibt, für die Urasawa bekannt ist, finden sich auch Kurzgeschichten darin, in denen Urasawa sich autobiografischen Themen zuwendet oder einfach einen witzigen Comic über Mäuse zeichnet.

“Hatschi!” erscheint auf dem deutschen Markt bei Carlsen Manga, die den Titel im Großformat herausbringen.

trennliniene 1 Manga

Text & Zeichnungen: Naoki Urasawa | Originaltitel: Kushami: Urasawa Naoki Tanpen-shuu | Übersetzung: Martin Gericke | Genre: Drama, Slice of Life, Thiller, Comedy | Demografische Zielgruppe: Seinen | Verlag: Carlsen Manga | Preis: 15,00€ | mehr Informationen auf der Verlagsseite

trennliniene 1 Manga

Wie war’s?

“Hatschi!” beginnt mit einem Inhaltsverzeichnis und einer Definition des Titels, der auf den ersten Blick merkwürdig erscheinen mag. Urasawa erklärt, dass ein “Hatschi” ein unwillkürlicher Ausstoß von Luft durch die Nase sei– eine kurze Handlung im Gegensatz zu einer langen – und dass es sogar den schönsten Menschen für einen Moment hässlich aussehen lassen kann. Diese Erklärung ist metaphorisch zu verstehen: Jede Kurzgeschichte in Hatschi! ist wie ein Niesen – plötzlich und kurz. Urasawa spielt mit der Idee, dass eine Geschichte wie ein kurzer, unerwarteter Moment wirken kann, der das Unerwartete und Hässliche genauso wie das Schöne enthüllt.

Wie bei jeder Kurzgeschichtensammlung funktionieren manche Geschichten besser als andere, doch eines ist klar: Urasawa bleibt seiner Vorliebe für überraschende Wendungen treu. Er zeigt, dass er die Kunst des Geschichtenerzählens auch auf wenigen Seiten meisterhaft beherrscht. Die erste Geschichte, “Damiyan”, ist ein gelungener Auftakt. Sie handelt von einem Yakuza-Gangster, der einen Jugendlichen anheuert, der durch seinen Blick Menschen Unglück bringen kann. Urasawa kombiniert hier pointierten Humor mit einer melancholischen Familiengeschichte, was zu einem überraschend emotionalen Ende führt.

“Wirf das Ding Richtung Mond!” hat wohl am meisten den Charakter von Urasawas bekanntesten Werken. Es ist in der Co-Produktion mit Takashi Nagasaki entstanden, den man ebenfalls bereits aus den längeren Urasawa-Werken kennt und mit dem Urasawa schon eine lange Geschichte verbindet. Sie dreht sich um einen Journalisten, der eine alte Vorhersage einer Wahrsagerin überprüft und dabei in eine Verschwörung verwickelt wird. Obwohl die Geschichte auf den ersten Blick unscheinbar wirkt, offenbart sie eine komplexe und intelligente Handlung, die typisch für Urasawas Erzählweise ist.

“Das Königreich der Kaniju” handelt von einem übergewichtigen französischen Kaiju-Fan, der nach Tokio reist, um echte Monster zu sehen. Urasawa nutzt diese simple Ausgangssituation, um die Wahrnehmung von Schönheit und Heldentum zu thematisieren. Der Protagonist, der anfangs als einfältig und tollpatschig dargestellt wird, wächst durch seine Handlungen zu einem wahren Helden heran – ohne dass sich sein äußeres Erscheinungsbild ändert. Diese Geschichte, die auf den ersten Blick einfach wirkt, besticht durch ihre tiefere Bedeutung und die Verbindung von Melodrama mit satirischer Komik.

Neben diesen thematisch dichten Geschichten zeigt “Hatschi!” auch Urasawas persönliche Seite. In der vollfarbigen Geschichte “Henry und Charles” verfolgen wir zwei Mäuse, die versuchen, an ein Stück Kuchen zu gelangen, ohne dabei die Katze zu wecken. Urasawa hat hier seinen Stil bewusst an Cartoons wie Tom & Jerry angelehnt, was er in seinen Autorenkommentaren erwähnt. Die Geschichte steht tonal zwar etwas abseits der anderen Werke, bietet jedoch eine willkommene Abwechslung und zeigt Urasawas Vielseitigkeit.

Darüber hinaus gibt es einige autobiografische Geschichten, die Urasawa seiner Liebe zur Musik widmet. Da gibt es die Geschichte, die er von Kenji Endo (nach ihm benannt ist auch ein Charakter aus 20th Century Boys) erzählt bekam und schließlich zu einer Kurzgeschichte verarbeitet oder aber Essays, in denen er über die Reise nach den USA zu einem Rockfestival berichtet. In diesen Storys bekommen die Leser*innen den persönlichen Urasawa neben dem Mangazeichner: Den leidenschaftlichen Fan von Rockmusik.

So wie sich die Geschichten unterscheiden, so unterscheidet sich in „Hatschi!“ auch der Zeichenstil des Mangaka. Während die Essay-Geschichten eher in einem skizzenhaften Stil gezeichnet sind und improvisiert wirken, so bekommt man in anderen Geschichten den ausgefeilten Stil des Urasawa mit perfekt gesetzten Panels und einem natürlichen Bild-Text-Anteil. Dennoch gelingt es Urasawa, auch in den minimalistischeren Beiträgen in diesem Band die Emotionen herüberzubringen und die markanten Züge der Charaktere herauszustellen.

Hervorzuheben ist auch, dass die letzte Geschichte in dem Band eine andere Leserichtung besitzt als die übrigen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass diese Geschichte für eine Kurzgeschichten-Sammlung in Frankreich gezeichnet wurde. Sie ist eine der zwei Storys in dem Band, die voll in Farbe gezeichnet sind. Daneben gibt es aber weitere zahlreiche Farbseiten, was den Preis von 15 Euro durchaus gerechtfertigt.

Fazit

Insgesamt gelingt es Urasawa in Hatschi!, verschiedene Stile und Themen miteinander zu verknüpfen, ohne dass die Sammlung wie eine Wiederholung seiner früheren Werke wirkt. Die Vielfalt der Geschichten – vom tiefgründigen Drama über humorvolle Cartoons bis hin zu autobiografischen Essays – zeigt, wie gut Urasawa kurze Momentaufnahmen in den unterschiedlichsten Kontexten meisterhaft umzusetzen weiß. Egal, ob man ein langjähriger Fan seiner Werke ist oder neu in die Welt von Urasawa eintaucht, Hatschi! bietet ein vielseitiges Leseerlebnis.

trennliniene 1 Manga

Bei diesem Manga handelt es sich um ein Rezensionsexemplar, welches mir freundlicherweise von Carlsen zur Verfügung gestellt worden ist. Vielen Dank dafür!

One Comment

Schreibe einen Kommentar

Cookie Consent mit Real Cookie Banner