[Anzeige, da Rezensionsexemplar]
“The Innocent Game” entführt die Leserschaft an eine juristische Fakultät, in der Idealismus, Ehrgeiz und dunkle Vergangenheiten aufeinandertreffen. Erzählt wird die Geschichte dreier Jurastudenten – Kiyoshi Kuga, Misuzu Orimoto und Kaoru Yuuki -, die auf den ersten Blick nur durch ihre gemeinsame Ausbildung verbunden sind.
Der Manga adaptiert den gleichnamigen Roman von Ritsuto Igarashi, welcher selbst als Anwalt tätig ist. Der Roman erschien 2020 in Japan. Die Manga-Adaption von Yumuko Tsuka folgte ab 2022 im Seinen-Magazin Comic Days und wird in vier Bänden abgeschlossen sein. Auf dem deutschen Markt wird der Titel durch Carlsen Manga veröffentlicht.

Text: Ritsuto Igarashi, Zeichnungen: Yumuko Tsuka | Originaltitel: Houtei Yuugi | Übersetzung: Martin Bachernegg | Genre: Drama, Krimi | Demografische Zielgruppe: Seinen | Verlag: Carlsen Manga | Preis: 8,00€ | mehr Informationen auf der Verlagsseite

Im Zentrum steht das sogenannte „Innocent Game“, ein von den Studierenden ins Leben gerufenes Spiel, in dem vermeintliche Vergehen in einem schulischen Pseudogerichtsverfahren verhandelt und mit selbstgewählten Strafen geahndet werden. Was zunächst wie eine Art juristisches Rollenspiel anmutet, gewinnt zunehmend an Ernsthaftigkeit, insbesondere als Kaoru, der brillante und zugleich manipulative Strippenzieher dieses Spiels, plötzlich selbst zum Opfer eines realen Verbrechens wird. Ab diesem Zeitpunkt scheinen sich die Rollen der Hauptfiguren auf drastische Weise verschieben: aus Kommilitonen werden Anwalt, Angeklagte und Opfer.
Formal und inhaltlich lässt sich nicht bestreiten, dass dieser erste Band einige interessante und zeitgemäße Impulse setzt. Der Fokus auf rechtliche Konzepte wie Unschuldsvermutung und Beweislast verleiht der Handlung eine gewisse gesellschaftliche Relevanz. Die Idee, juristische Grauzonen im geschützten Raum einer Universität zu inszenieren, ist ebenso originell wie provokant, und es ist spürbar, dass der Autor selbst juristisch tätig ist. Zahlreiche Fachbegriffe werden eingeführt, jedoch meist gut verständlich erklärt, sodass sich auch Leserinnen und Leser ohne juristischen Hintergrund ein Bild machen können.
Die moralischen und rechtlichen Fragen, die sich dabei stellen, sind keineswegs trivial.
Allerdings bleibt der Eindruck trotz dieser ambitionierten Ansätze insgesamt zwiespältig. Bereits der Einstieg fällt schwer, was nicht nur am Übermaß an juristischen Fachtermini liegt, sondern vor allem an der merkwürdig konstruierten Erzählweise. Die Figuren, allen voran Kaoru Yuuki, wirken zwar intelligent, aber zugleich artifiziell überzeichnet, was eine emotionale Identifikation erschwert. Andere Charaktere wirken oberflächlich gezeichnet und tragen kaum zur Tiefe der Handlung bei. Zwar werden Rückblenden und persönliche Geheimnisse angedeutet, doch diese reichen nicht aus, um als Leser wirklich mitzufühlen oder Anteil zu nehmen. Das Gefühl, stets nur Beobachter und nie wirklich Teil des Geschehens zu sein, zieht sich leider durch den gesamten Band.
Auch als klassisches Krimi-Rätsel überzeugt der Manga nur bedingt, da die Anzahl der handelnden Personen sehr überschaubar ist und sich die Auflösung des Falls letztlich eher vorhersehbar gestaltet, auch wenn wir bisher erzählerisch nicht einmal zum zu Beginn eingeführten Verbrechen angekommen sind.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die sprachliche Gestaltung. Auch wenn der Manga inhaltlich versucht, Tiefe zu erzeugen, bleibt die Erzählweise oft distanziert, fast steril. Selbst dramatische Entwicklungen schaffen es selten, wirkliche Spannung oder emotionale Reaktionen hervorzurufen. Zwar steigert sich die Handlung im zweiten Teil des Bandes deutlich und erzeugt durchaus erzählerischen Sog, doch auch hier gelingt es dem Text kaum, über das konstruierte Szenario hinaus eine tiefere Verbindung zwischen Leser und Figuren zu etablieren. Letztlich entsteht der Eindruck, dass das Werk vor allem intellektuell beeindrucken möchte, dabei aber vergisst, seine Figuren mit Leben und Glaubwürdigkeit zu füllen.
Fazit
Trotz der zum Teil gelungenen juristischen Grundidee vermag es „The Innocent Game“ nicht, ein rundum überzeugendes Leseerlebnis zu bieten. Es bleibt ein Werk, das viel verspricht, aber nur teilweise einlöst. Es ist spannend gedacht, aber in der Umsetzung unausgewogen. Wer sich für das japanische Rechtssystem interessiert oder Freude an ungewöhnlichen Gerichtssettings hat, mag dem Manga dennoch etwas abgewinnen.
Für Leserinnen und Leser, die auf starke Figuren, emotionale Tiefe und eine fesselnde Mystery-Erzählung hoffen, könnte dieser erste Band hingegen enttäuschend ausfallen. Auch wenn sich vermuten lässt, dass die Geschichte in den kommenden Bänden noch eskalieren und vielleicht sogar in echte Gerichtssäle übergehen wird, bleibt nach dem ersten Band ein eher zurückhaltender Gesamteindruck.

Bei diesem Manga handelt es sich um ein Rezensionsexemplar, welches mir freundlicherweise von Carlsen zur Verfügung gestellt worden ist. Vielen Dank dafür!



