[Anzeige, da Rezensionsexemplar]
„VEIL“ ist ein Manga, von dem ich immer mal wieder kleine Auszüge und Cover aus sozialen Netzwerken gesehen hatte und mit denen mich die Mangaka direkt verzaubern könnte. Entsprechend war ich mehr als glücklich, dass wir in Deutschland nun ebenfalls in den Genuss des Werkes kommen.
Der Manga wurde ursprünglich als eine Sammlung von Abbildungen auf den X- (früher Twitter) und Pixiv-Konten der Autorin in den Jahren 2017 und 2018 veröffentlicht. Da die Follower das Werk mochten, veröffentlichte die Mangaka die Seiten zudem als Fanzine für die COMITA. Später überarbeitete Kotteri die Kapitel und veröffentlichte sie ab 2019 offiziell auf Jitsugyo no Nihon Sha.
Neben ihrem Pseudonym Kotteri! veröffentlicht die Mangaka auch klassischere Werke unter dem Namen Ikumi Fukuda. Darüber hinaus ist sie als Illustratorin für Videospiele bekannt.
In Deutschland erscheint „VEIL“ bei Carlsen Manga.
Text & Zeichnungen: Kotteri! | Originaltitel: VEIL| Übersetzung: Miyuki Tsuji | Genre: Slice-of-Life, Romance | Verlag: Carlsen Manga | Preis: 18,00€ | mehr Informationen auf der Verlagsseite
Wie war’s?
„VEIL“ erzählt die Geschichte eines jungen Polizisten, der nicht immer ganz bei der Sache ist und zufällig auf eine blonde Frau trifft, die ihre Augen geschlossen hält und mit einem Stock in der Hand geht. Zwischen den beiden entsteht schnell eine gewisse Chemie. Beeindruckt von der Einzigartigkeit seiner neuen Gesprächspartnerin, lädt der Polizist sie auf einen Tee in die Polizeistation ein, in der er arbeitet und in der die Angestellten gerne trinken. Zufällig sucht die Station gerade jemanden, der das Telefon beantwortet, und die junge Frau ist auf der Suche nach Arbeit. Ihre Routine wird von täglichen Gesprächen geprägt, durch die sich ihre Beziehung in einem Klima seltener Eleganz entwickelt.
„VEIL“ kann als eine Momentaufnahme betrachtet werden. Der Kern der Erzählung besteht aus Kapiteln, die in der Regel nur ein paar Seiten lang sind, gerade lang genug, damit der Leser einen Augenblick zwischen dem Mann und der Frau sehen kann, bevor die Tür zu ihrer Welt wieder geschlossen wird, ehe sie sich im nächsten Kapitel wieder öffnet. Es sind kurze Interaktionen, die einen bestimmten Kontext im Alltag der beiden Protagonisten darstellen. Diese sind nie weit voneinander entfernt und ergänzen sich in hohem Maße.
Kotteri! versucht in diesem Werk nicht, große menschliche oder sentimentale Dramen zu erzählen. Stattdessen skizziert sie das Leben junger Menschen. Beim Lesen hat man das Gefühl, mit dem Paar mittendrin zu sein, aber wenn man das Buch zuklappt, ist es schwer zu sagen, was genau man gelesen hat. Es sind alltägliche Situationen, die dennoch voller Anmut und Tiefe wirken. Er hilft ihr bei der Auswahl und beim Anziehen eines Gürtels, eine zufällige Büroangestellte küsst sie, als sie auf dem Sofa sitzt, sie gehen gemeinsam ins Museum oder sie überrascht ihn beim Duschen. Er und sie bilden eine einzigartige Einheit, und wir verfolgen, wie sie sich umkreisen, ohne jemals wirklich ernst zu machen. Zwei Schritte vor, einen Schritt zurück – das Katz-und-Maus-Spiel, ein Hauch von Schüchternheit und Unschuld, immer mit einer großen Spitzfindigkeit, die uns zum Lächeln bringt.
Freundschaft, Liebe, Leidenschaft – wir wissen noch nicht genau, was für eine Beziehung die beiden zueinander haben, aber wir sind in ihren Bann gezogen, denn sie ergänzen sich auf wunderbare Weise. Die Dialoge sind zart und rhythmisch, mal neckisch, mal liebevoll, und werden oft auf Sofas und zwischen Rauchschwaden geführt.
„VEIL“ ist ein Katalog kleiner Momente, und das Gefühl der Verträumtheit, das das ganze Projekt ausstrahlt, wird durch die Seiten zwischen den Kapiteln noch verstärkt: Ein-Panel-Illustrationen des Mannes oder der Frau oder von beiden, Zeichnungen von ihnen in verschiedenen Outfits wie das Skizzenbuch eines Modedesigners, kurze Textstücke. Es ist eine originelle Mischung aus Manga und Artbook, die Raum für die künstlerische Ader der Autorin lässt, die sich hier frei von den Zwängen der schnellen Veröffentlichungen des Mainstream-Mangas bewegen kann.
Die Namen der beiden Hauptfiguren erfahren wir erst am Ende des Bandes, als uns ihr Steckbrief präsentiert wird. Denn für die Erzählung sind sie nicht wichtig und genau aus diesem Grund werde ich sie auch in dieser Rezension nicht verwenden. Es geht vielmehr um die zarten, intimen Momente und die Art und Weise, wie sie sich durch ihre Interaktionen entfalten.
Der Erfolg von „VEIL“ liegt nicht nur in der Geschichte selbst, sondern auch in der Art und Weise, wie der Manga präsentiert wird. Das Ganze ist wunderschön und sehr liebevoll gestaltet. Der Manga ist in Farbe, und der Hintergrund der Panels ist eher beige-gelb als weiß gehalten, was einen Hauch von Sepia vermittelt, die verträumte Qualität verstärkt und Nostalgie hervorruft. Es ist klar, dass Kotteri Farben liebt und sie gekonnt einsetzt. Diese Eleganz spiegelt sich in den feinen Strichzeichnungen von Kotteri wider, die man auf jeder Seite findet. Die ausgewählten Kostüme zeigen ihr Interesse für Mode und Luxus. Gleichzeitig ist das Interesse für französische Comics und westliche Mode klar erkennbar.
Um einem solchen Titel gerecht zu werden, musste eine angemessene verlegerische Umsetzung geboten werden. Ich denke zwar, dass ein Hardcover dem Titel noch gerechter geworden wäre, dennoch ist Carlsen Manga eine durchaus ansprechende Umsetzung gelungen. Der Verlag hat sich entschieden, den Titel im Softcover abzudrucken. Es gibt ein spezielles Umschlagspapier, welches den Titel edel wirken lässt, dazu Klappbroschur und dickes Papier.
Fazit
Der erste Band von „VEIL“ ist ein gelungenes künstlerisches Experiment, das Comics mit Literatur und Grafik verbindet und besonders Slice-of-Life-Fans anspricht, die subtile und zarte Erzählungen mögen. Wer mehr Action und dynamische Entwicklungen in der Beziehung der Charaktere erwartet, könnte jedoch von „VEIL“ enttäuscht werden.
Bei diesem Manga handelt es sich um ein Rezensionsexemplar, welches mir freundlicherweise von Carlsen zur Verfügung gestellt worden ist. Vielen Dank dafür!
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9. November 2024 at 15:01