Während wir in Deutschland über eine große Bandbreite an in unsere Sprache übersetze Manga verfügen, sieht die Sache in Norwegen anders aus. Der norwegische Markt verfügt nur über wenige übersetze Werke und die Mangafans bedienen sich vor allem an US-Veröffentlichungen.
Zahlreiche Comickünstler*innen gibt es aber natürlich dennoch und in den letzten Jahren hat sich auf dem heimischen Markt die Sparte “Nordic Manga” entwickelt, in die Werke zusammengefasst werden, die sich am japanischen Manga orientieren. Auch “Ragnarök – Fenriswolf” erschein 2020 beim norwegischen Verlag Egmont unter dem Originaltitel “Ragnarok: Fenrisulven” in dieser Sparte. Im selben Jahr gewann der Band mit den “ARKs barnebokpris”. Die Jury besteht bei dem norwegischen Literaturpreis aus über 10.000 Fünft-, Sechst- und Siebtklässlern, die das beste Kinderbuch des Jahres wählen.
“Ragnarök – Fenriswolf” ist der erste Band einer geplanten Reihe, die derzeit in Norwegen vier Bände umfasst. Bei der Reihe handelt es sich um das Debütwerk von Odin Helgheim.
Text & Zeichnungen: Odin Helgheim | Übersetzung: Katharina Erben, Tilo Herrmann | Genre: Fantasy, Historisch, Abenteuer | Verlag: Loewe Graphix | Preis: 16,00€
Wie war’s?
Die Geschichte von Ragnarök beginnt mit purer Idylle in einem kleinen Dorf, wo der junge Ubbe zusammen mit seinem Bruder Hod, dem Bootsbauer, und seiner wilden, rothaarigen Mutter Gunnhild ein bescheidenes Leben genießt. Der älteste Sohn ist geschickt, mutig und gutaussehend. Der Jüngste ist einfühlsam und bescheiden mit Zukunftsträumen. Als Ubbes und Hods Vater, der schweigsame Herjan, von einem erfolgreichen Wikingerüberfall zurückkehrt, wird er von allen willkommen geheißen und in der Langhaushalle gebührend gefeiert. Aber es wird sich herausstellen, dass dies nicht von Dauer sein kann. Denn jenseits der Dorfmauern lauert eine mystische Bedrohung, die schon bald eine Tragödie nach sich ziehen wird.
Eines Abends wird das Dorf von einem großen und wütenden Wolf angegriffen. Keine Waffe kann das Tier töten. Der große Bruder Hod wird durch den ätzenden Speichel des Wolfes an den Augen verletzt, die Mutter stirbt und der Vater flüchtet mit den Worten “Ragnarök” aus dem Dorf. Als wäre das Wort nicht schon erschreckend genug, machte es die Tatsache, dass der Mann, der es aussprach, in seinem ganzen Leben noch nie ein Wort gesprochen hatte, noch Wirkungsvoller. Mit einem Mal ändert sich für den jungen Ubbe alles in seinem Leben und die Rollen scheinen vertauscht. Ubbe und die junge Schamanin Thyra erweisen sich nun als die wichtigsten Personen der Geschichte und begeben sich vier Jahr nach dem Unglück auf eine Reise, um das Dorf zu retten.
Vom Loewe Verlag wird der Spartenbegriff “Nordic Manga” übernommen. Eine Bezeichnung, die durchaus passend ist. Auch wenn der Titel in Vollfarbe gezeichnet ist, lassen sich die Inspirationen aus der Mangaliteratur nicht verleugnen. Der Großteil der Geschichte ist in einem halb-realistischen Stil gezeichnet, dessen Gesichtszüge ebenfalls von Mangas inspiriert zu sein scheinen. Die Naturaufnahmen sind hingegen klar und detailliert. Die Actionszenen in Ragnarök greifen Elemente aus der japanischen Comic-Tradition auf, darunter Speedlines und Panelgestaltung.
Für Helgheim war dieser Band das Debüt auf dem Comicmarkt, was man durchaus auch an einigen Zeichnungen erkennt, trotzdem lassen viele der Panels bereits das Talent von Helgheim erkennen. Ein Highlight stellt der Angriff des Wolfes auf das Dorf dar. Helgheim bringt hier viel Action ins Spiel, und vor allem der Wolf bringt einige der ausdrucksstärksten Aspekte seines Strichs zur Geltung. Die Kennzeichnung des Wolfes als etwas Krankes und Andersartiges trägt ebenfalls viel zur Stimmung des Buches bei, und die Dramaturgie funktioniert gut.
Das Design der Figuren ist farbenfroh und kreativ, aber eine einheitlichere Körpersprache und Proportionen sind wahrscheinlich der Bereich, in dem man die deutlichste Entwicklung erwarten kann. An einigen Stellen ist der Stil absolut perfekt, an anderen gibt es Anzeichen dafür, dass dies von einem Cartoonisten am Anfang seiner Karriere stammt. Nichtsdestotrotz ist der Band durch Variation von Perspektive, Lichtspielen, Effekten und kräftigen Farben im Rot- und Blaubereich ein gutes Leserlebnis. Im Großen und Ganzen fließen die Dialoge gut, und die verschiedenen Charaktere fühlen sich in der Sprache wie Individuen an, ebenso wie in der Art, wie sie gezeichnet sind.
Auch wenn dieser Handlungsstrang etwas klischeehaft anmutet, so schafft Helgheim es doch, die Welt von Ragnarök im ersten Band gut zu etablieren: Wir tauchen ein in eine bunte Welt, in der Wikinger beiderlei Geschlechts mit Tätowierungen bedeckt sind und Bögen schwingen. Helgheim orientiert sich hier zweifelsohne an aktuelleren Forschungsergebnissen und zeigt und seine durchaus realistische Wikingerwelt auf. Der Autor verbirgt Gewalt, Blut und Trunkenheit nicht, weshalb man das Lesealter des Verlags auch beachten sollte. Dieser empfiehlt die Geschichte ab zwölf Jahren, was ich als angemessen sehe.
Generell kann man Band eins als Einführung in die Welt von Ragnarök sehen, der die Grundlagen für das weitere Abenteuer der beiden Hauptfiguren legt. Uns wird ein Dorf am Wendepunkt skizziert und die wichtigsten Figuren vorgestellt.
Ragnarök wird durch Loewe Graphix in einem Hardcoverband herausgebracht, der durch eine hochwertige Gestaltung punktet und den Preis von 16,00 Euro trotz des eher dünnen Bandes durchaus rechtfertigt.
Fazit
“Ragnarök” ist aus meiner Sicht vor allem für jugendliche Leser gut geeignet, die Fans von Wikingern und nordischer Mythologie sind. Die Serie hat eine Manga-Ästhetik, die viele jüngere Leser wiedererkennen werden. Sie hat eine leicht verständliche und spannende Geschichte, die für die kommenden Bände eine interessante Reise verspricht.