Manga haben sich in den letzten Jahrzehnten zu einem weltweiten Phänomen entwickelt. Dafür verantwortlich, dass Manga auch in Deutschland zugänglich sind, sind quasi unsichtbare Held*innen: die Übersetzenden. Sie sind Brückenbauende, die Sprachbarrieren überwinden und es uns ermöglichen, in die Welten von Manga einzutauchen. Doch wie viel Anerkennung erhalten sie für ihre Arbeit?
Eigentlich war eine ausführliche Themenwoche über die Bedeutung von Übersetzungen in der Manga-Kultur für das kommende Jahr geplant, in der ich die verschiedenen Aspekte dieser Arbeit beleuchten wollte – ich hoffe wirklich, ich schaffe es am Ende, all die Ideen umzusetzen. Doch angesichts der aktuellen Diskussionen um die Bezahlung und die Arbeitsbedingungen möchte ich diesen Beitrag vorziehen und meine Gedanken durch die Geschehnisse der letzten Wochen erweitern, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Denn die Situation erfordert Veränderungen – sowohl in der Art, wie wir über die Übersetzenden sprechen, als auch in der Art, wie ihre Arbeit finanziell gewürdigt wird.
Brücken zwischen Kulturen
Übersetzungen werden von vielen oft unterschätzt und mit dem verglichen, was wir vielleicht im Englischunterricht machen oder gemacht haben. Doch hinter diesem Beruf steckt viel mehr. Es geht nicht nur darum, Worte von einer Sprache in die andere zu übertragen. Wichtig ist auch ein Gespür für kulturelle Kontexte, Idiome und Emotionen. Eine gute Übersetzung verlangt nicht nur Sprachbeherrschung, sondern auch die Fähigkeit, die kulturellen Feinheiten und Absichten der Mangaka und Autor*innen zu vermitteln.
Viele Manga sind gespickt mit kulturellen Anspielungen, Wortspielen und gesellschaftlichen Kommentaren, die in der Originalsprache eine ganz andere Bedeutung haben können. Manchmal sind die Witze so subtil, dass sie ohne den richtigen Kontext verloren gehen.
Ein gutes Beispiel sind Slice-of-Life- oder Comedy-Manga, die oft den japanischen Alltag zeigen. Wenn die Übersetzung den Humor und die Nuancen der japanischen Sprache nicht einfängt, verändert sich das gesamte Leseerlebnis. Anstatt schmunzelnd durch die Seiten zu blättern, erleben wir eine blasse, schwer zugängliche Version, die die Seele des Originals nicht transportiert.
Die Herausforderungen, denen sich Übersetzende gegenübersehen, sind vielfältig. Oft müssen sie kreative Lösungen finden, um Wortspiele zu übersetzen, die im Originalwitz völlig einzigartig sind. Sie müssen den Ton und die Sprache der Charaktere bewahren und Dialekte sowie unterschiedliche Sprachstile abbilden. Die Aufgabe der Übersetzenden ist es, den Stil so wiederzugeben, dass er in unserer Sprache authentisch bleibt.
Das ist eine Herausforderung, die Kreativität und Fingerspitzengefühl erfordert und zeigt: Es geht nicht darum, Worte 1:1 zu übertragen. Übersetzen ist ein Handwerk, das Maschinen nicht ersetzen können und sollten.
Die Frage der Bezahlung
Neben der fehlenden Anerkennung kämpfen Übersetzende im Manga-Bereich auch mit einer weiteren Herausforderung: der Bezahlung. Die Honorare für Manga- und Light-Novel-Übersetzungen stehen oft in einem ungerechten Missverhältnis zur Arbeit, die in eine gute Übersetzung fließt. Ein offener Brief des Verbandes deutschsprachiger Übersetzender (VdÜ) betont, dass die Vergütung weit hinter den Erwartungen und den realen Lebenshaltungskosten zurückbleibt. Die Verlage verdienen durch den Manga-Boom, doch bei den Übersetzenden kommt davon nur selten etwas an.
Übersetzende sind Selbständige, die nicht nur die kreative Arbeit der Übersetzung leisten, sondern auch viele administrative Aufgaben übernehmen müssen, die sonst ein Arbeitgeber anteilig abdecken würde. Dazu gehört die Abwicklung von Steuern, Versicherungen und Sozialleistungen. Sie müssen für ihre eigene Rentenversicherung aufkommen, ihre Krankenversicherung selbst tragen und sich um alle bürokratischen Aufgaben kümmern. All diese zusätzlichen Kosten schmälern das ohnehin oft niedrige Honorar.
Das bedeutet, dass viele Übersetzende Schwierigkeiten haben, von ihrer Arbeit zu leben, obwohl sie einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg von Manga leisten. Während Verlage durch den weltweiten Manga-Boom erhebliche Gewinne erzielen, bleiben diejenigen, die diese Werke überhaupt erst für ein internationales Publikum zugänglich machen, oft unterbezahlt und unsichtbar. Dieser Zustand ist nicht nur frustrierend, sondern langfristig schädlich für die Branche, da er qualifizierte und talentierte Übersetzende vertreiben könnte.
Was können wir als Lesende tun? Neben dem Unterschreiben der Petition kommt es auf Kleinigkeiten an. Nennt die Übersetzenden, macht deutlich, dass ihr ihre Arbeit schätzt und fair entlohnt sehen möchtet. Setzt euch dafür ein, dass sie als kreative Köpfe wahrgenommen werden, die essenziell dafür sind, dass der Mangamarkt weiterhin blüht und wachsen kann.
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Essay: Über das Übersetzen von Mangas von Cheyenne Dreißigacker bei TraLaLit
Offener Brief: Manga-Übersetzer fordern höhere Honorare auf MDR
3 Comments
MI
29. Oktober 2024 at 14:55Vielen Dank für den tollen Artikel und deinen Support, Kerstin!
Miss Booleana
5. November 2024 at 12:02Sehr wichtiger Beitrag!
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8. November 2024 at 15:00