[Anzeige, da Rezensionsexemplar]
Einige Manga-Titel wecken unmittelbar Neugierde. “Who Saw the Peacock Dance in the Jungle?” ist für mich ein solcher Fall. Während der Titel zunächst poetisch oder gar metaphorisch anmutet, entfaltet sich schnell eine vielschichtige, atmosphärische Kriminalgeschichte voller Intrigen, moralischer Ambivalenz und narrativer Raffinesse. Die von Rito Asami geschaffene Serie bewegt sich geschickt zwischen klassischer Detektivgeschichte und psychologischem Drama, wodurch sie sich von konventionellen Krimi-Manga abhebt.
“Who Saw the Peacock Dance in the Jungle?” erscheint in Japan seit dem Juli 2022 im Josei-Magazin Kiss von Kodanash. Stand Februar 2025 sind in Japan sechs Bände der Reihe erschienen. Eine Live-Action-Dramaserie läuft seit Januar 2025 beim Streaming-Anbieter Netflix.

Text & Zeichnungen: Rito Asami| Originaltitel: Kujaku no Dance, Dare ga Mita? | Übersetzung: Martin Bachernegg | Genre: Krimi, Drama| Demografische Zielgruppe: Josei | Verlag: Carlsen Manga | Preis: 7,50€ | mehr Informationen auf der Verlagsseite

Wie war’s?
Die Handlung beginnt mit einem einschneidenden Ereignis: Die junge Protagonistin Komugi verliert ihren Vater Haruo durch ein gewaltsames Verbrechen. Die Visualisierung der Flammen, die das familiäre Zuhause zerstören, setzt bereits in den ersten Panels eine düstere Grundstimmung, die sich durch das gesamte Werk zieht. Besonders hervorzuheben ist die narrative Entscheidung, die innige Vater-Tochter-Beziehung zunächst behutsam aufzubauen, um den darauffolgenden Schockmoment noch eindringlicher zu gestalten. Asami gelingt es hierbei, eine emotionale Resonanz beim Leser zu erzeugen, die die Bindung zur Protagonistin intensiviert und ihre spätere Motivation nachvollziehbar macht. Diese emotionale Investition ist entscheidend für die spätere Entwicklung der Geschichte und stellt sicher, dass das Publikum sich in Komugis Reise hineinversetzen kann.
Die zentrale Handlung dreht sich nicht nur um den Mord an Haruo, sondern wird durch ein weiters Element erweitert: einen posthum übermittelten Brief. In diesem stellt Haruo die offizielle Version der Ermittlungsbehörden infrage und hinterlässt seiner Tochter sowohl eine erhebliche Geldsumme als auch eine explizite Anweisung, einen bestimmten Anwalt zu engagieren. Diese Entwicklung fungiert als narrativer Katalysator, der Komugi aus ihrer bisherigen Realität herausreißt und sie mit der Möglichkeit konfrontiert, dass ihr Vater in weit komplexere Vorgänge verwickelt war, als sie je geahnt hätte. Gleichzeitig stellt sich die Frage nach der Kausalität: Wie verknüpft ist der Mord mit einer Tat, die zwei Jahrzehnte zurückliegt? Diese Mehrdimensionalität der Erzählstruktur sorgt für eine konstante Spannungssteigerung und hält die Leser über mehrere Kapitel hinweg gefesselt.
Komugi muss nicht nur herausfinden, wer ihren Vater ermordet hat, sondern auch die wahren Ereignisse von vor zwanzig Jahren rekonstruieren, die tief in einem Netzwerk aus Lügen und Täuschung verwoben sind. Diese narrative Strategie erhöht die Komplexität der Handlung und fordert vom Leser eine aktive Auseinandersetzung mit den Geschehnissen.
Trotz der Vielzahl an Handlungssträngen wird die Informationsvermittlung so gestaltet, dass weder Überforderung noch langatmige Passagen entstehen. Das geschickte Gleichgewicht zwischen Spannungselementen und dynamischer Handlung ermöglicht einen hohen Grad an Immersion. Insbesondere der Einsatz von Cliffhangern zeigt eine präzise Kalkulation der Leseerwartung: Durch strategisch platzierte erzählerische Wendungen entsteht ein Sogeffekt, der den Leser dazu animiert, unmittelbar weiterzulesen.
Der Manga nutzt zudem ein innovatives Panel-Layout, das den Spannungsaufbau unterstützt. Wechsel zwischen weiten, atmosphärischen Landschaftsbildern und engen, intimen Nahaufnahmen von Komugis Gesicht erzeugen eine Dynamik, die nicht nur visuell ansprechend ist, sondern auch die psychologische Verfassung der Charaktere widerspiegelt.
Eine der größten Stärken des Mangas liegt in der Charakterzeichnung. Komugi wird nicht als klassische Heldin inszeniert, sondern als eine vielschichtige, realistisch konstruierte Figur mit inneren Konflikten. Ihre anfängliche Unsicherheit und emotionale Überforderung angesichts der neuen Realität werden nicht nur explizit thematisiert, sondern auch in subtilen Gesten und mimischen Details visualisiert. Diese Authentizität wird durch die Nebencharaktere ergänzt. Selbst vermeintliche Nebenfiguren werden ausgearbeitet sind. Beispielsweise spielt ein mysteriöser Ramen-Stand-Besitzer eine entscheidende Rolle in Komugis Reise zur Wahrheit.
Auf stilistischer Ebene setzt Asami auf eine detailreiche, semi-realistische Ästhetik, die insbesondere in den ausdrucksstarken Gesichtern und der effektiven Schattierung ihre Stärken ausspielt. Die Inszenierung von Licht und Dunkelheit dient nicht nur der atmosphärischen Gestaltung, sondern übernimmt auch eine funktionale Rolle im Spannungsaufbau. Darüber hinaus trägt die präzise Panel-Anordnung maßgeblich zur narrativen Dynamik bei, indem sie Tempo und Rhythmus der Geschichte gezielt lenkt.
Fazit
Mit “Who Saw the Peacock Dance in the Jungle?” präsentiert Rito Asami ein durchdachtes Werk, das sowohl auf erzählerischer als auch auf gestalterischer Ebene überzeugt. Die Verknüpfung klassischer Detektiv-Motive mit psychologischer Tiefe und narrativer Unvorhersehbarkeit zeichnet diesen Manga aus. Besonders für Leser, die sich für Kriminalgeschichten mit komplexen Charakteren und einer vielschichtigen Erzählweise interessieren, bietet diese Serie ein gelungenes Leseerlebnis.
Es bleibt abzuwarten, wie sich die Serie weiterentwickelt, doch schon jetzt lässt sich sagen: Asami hat einen Krimi-Manga geschaffen, der mich im ersten Band sowohl visuell als auch erzählerisch begeistert.

Bei diesem Manga handelt es sich um ein Rezensionsexemplar, welches mir freundlicherweise von Carlsen zur Verfügung gestellt worden ist. Vielen Dank dafür!