[Anzeige, da Rezensionsexemplar]
“Wild Strawberry” gehört zu den Titeln, die mir in der MANGA-Plus-App zwar häufiger begegnet sind, die ich aber digital noch nicht angetestet habe.
Die Reihe stellt das professionelle Debüt von Mangaka Ire Yonemoto dar. Die ersten Kapitel erschienen im Juli 2023 in der Shonen Jump +. Derzeit umfasst die Reihe in Japan sechs Bände, befindet sich aber bereits im finalen Arc.
Auf Deutsch erscheint die Reihe bei Manga Cult.

Text/Zeichnungen: Ire Yonemoto | Originaltitel: Wild Strawberry | Übersetzung: Jan-Christoph Müller | Verlag: Manga Cult | Demografische Zielgruppe: Shonen | Genre: Fantasy, Action | Preis: 10,00€ | Großformat | Weitere Informationen auf der Verlagsseite

Wie war’s?
Vor 36 Jahren begann in Tokyo eine Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes: Pflanzenwesen namens Jinkas entwickelten die Fähigkeit, Menschen zu infizieren und von ihnen zu zehren. Wer von ihrem Pollen befallen wird, trägt bald selbst florale Wucherungen, die schließlich blutig aufblühen und zum Tod des Wirtes führen. Als Antwort auf diese existenzielle Bedrohung gründeten die japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte den Flower Funeral Force (FFF) — eine Spezialeinheit, die infizierte Menschen erbarmungslos vernichtet, bevor sich die Seuche weiter ausbreiten kann.
Inmitten dieses apokalyptischen Albtraums kämpfen der Kingo und seine Schwester Kayano ums Überleben. Kayano trägt einen Jinka in sich, doch im Gegensatz zu den meisten Infizierten zeigt ihr Parasit keine feindlichen Absichten. Um ihr Geheimnis zu bewahren, leben die beiden versteckt, bis eines Tages alles auffliegt.
Bereits auf den ersten Seiten wird klar: “Wild Strawberry” ist keine leichte Kost. Blutige Auseinandersetzungen, morbide Floristik und dystopische Verzweiflung prägen das Setting. Was aber vor allem besticht, sind die detaillierten Artworks von Ire Yonemoto. Die fein detaillierten, oft sehr dicht gefüllten Panels fangen die verstörende Schönheit dieser zerstörten Welt meisterhaft ein: rankende Pflanzen, vermodernde Architektur, groteske Verschmelzungen aus Mensch und Blüte. Hier wird viel Wert auf Atmosphäre gelegt, und Yonemoto beweist ein feines Gespür für Bildkomposition, insbesondere in den Action-Sequenzen.
Stilistisch erinnert der Manga streckenweise an Werke von Tatsuki Fujimoto (Chainsaw Man), sowohl in der Bildsprache als auch im Erzähltempo. Fans der modernen, kompromisslosen Manga-Welle dürften sich hier also schnell heimisch fühlen.
Erzählerisch bewegt sich “Wild Strawberry” zunächst auf vertrautem Terrain. Die Prämisse — eine Schwester mit einem parasitären “Fluch”, ein kämpfender Bruder, geheime Regierungsorganisationen — weckt sofort Assoziationen mit bekannten Jump-Serien wie Demon Slayer oder Kaiju No. 8. Auch die emotional starke Geschwisterbindung zwischen Kingo und Kayano erinnert an klassische Shonen-Elemente: Familie, Verlust, Überleben.
Doch trotz dieser bekannten Merkmale gelingt es Yonemoto, Neugier zu wecken. Vor allem das Mysterium um die “Jinka-Mutter”, den Ursprung der floralen Katastrophe, sowie die spezielle Natur von Kayanos Jinka bieten Stoff für interessante Entwicklungen. Zudem verspricht die eher kurze Laufzeit der Serie (die Geschichte ist in Japan bereits im letzten Handlungs-Arc angekommen) eine straffe, kontinuierlich voranschreitende Handlung ohne künstlich in die Länge gezogene Filler. Wenn gleich ein zu frühes Ende auch dazu führen könnte, dass die Figuren sich nicht natürlich entwickeln könnten. Hier bleibt also abzuwarten, in welche Richtung sich die Action-Reihe entwickeln wird.
Neben der spektakulären Action und den düsteren Bildern schwingen in “Wild Strawberry” auch gesellschaftliche und ökologische Themen mit. Die Idee einer Natur, die sich gegen den Menschen erhebt, kann als Metapher für Umweltzerstörung, Klimawandel und menschliche Habgier gelesen werden. Die soziale Ungleichheit, die sich in der Verfügbarkeit des rettenden, aber teuren Impfstoffes zeigt, bringt zusätzlich eine bittere gesellschaftskritische Komponente ins Spiel.
Dieser erste Band ist nichts für Zartbesaitete: Gewalt, Tod und düstere Themen ziehen sich durch die Handlung, sodass der Manga klar an ein erwachsenes, genreaffines Publikum gerichtet ist. Fans von dystopischen Horror-Szenarien mit einer Mischung aus Science-Fiction, Body-Horror und Drama kommen hier voll auf ihre Kosten.
Wer jedoch auf der Suche nach tiefgründiger Charakterentwicklung oder völliger Originalität ist, wird vielleicht noch nicht komplett überzeugt sein. Zwar besitzt der Manga starke Ansätze, doch fehlt im ersten Band noch das gewisse Etwas, das aus einem sehr guten einen herausragenden Titel macht. Trotzdem: Die Basis ist gelegt, das Potenzial spürbar.
Von Manga Cult wird der Titel wie für den Verlag üblich im Großformat herausgebracht, was sich angesichts der detaillierten Hintergründe hier auch lohnt. Als Extra gibt es in der ersten Auflage einen Art-Print.
Fazit
Ein düsteres, blutiges, visuell beeindruckendes Debüt mit bekannten, aber gut inszenierten Themen. “Wild Strawberry” erfindet das Genre nicht neu, aber liefert einen spannenden, atmosphärisch dichten Einstieg in eine postapokalyptische Welt, in der der Tod in Form von wunderschönen, tödlichen Blüten lauert. Wer Serien wie Chainsaw Man, Kaiju No. 8 oder Fire Force mag, sollte hier definitiv einen Blick riskieren.

Bei diesem Manga handelt es sich um ein Rezensionsexemplar, welches mir freundlicherweise von Manga Cult zur Verfügung gestellt worden ist. Vielen Dank dafür!