[Anzeige, da Rezensionsexemplar]
Auch wenn ich noch nicht besonders viel von Inga Steinmetz gelesen habe, so verbinde ich mit ihrem Namen tatsächlich auch deutsche Manga-Geschichte. Sie gehört für mich zu den Künstlerinnen, die bereits bei den ersten Stehversuchen dabei war und bereits auf einige Veröffentlichungen zurückblicken kann.
Nach einigen Jahren Pause ist bei Carlsen Manga nun ihre aktuelle Verlagsveröffentlichung erschienen. Die erste, kürzere Fassung von “Felis Geheimnis” war eine Auftragsarbeit für iCHANCE, eine Kampagne des Bundesverbandes Alphabetisierung und Grundbildung e. V. und wurde 2019. Sechs Jahre später folgt nun eine längere Ausarbeitung der Geschichte bei Carlsen Manga.

Text & Zeichnungen: Inga Steinmetz | Genre: Slice of Life | Verlag: Carlsen Manga | Preis: 9,00 € | weitere Informationen zum Titel auf der Verlagsseite

Wie war’s?
Inga Steinmetz’ Comic „Felis Geheimnis“ erzählt auf einfühlsame Weise die Geschichte eines jungen Mädchens, das in einer Welt lebt, in der Katzen nicht nur sprechen, sondern auch die gesellschaftliche Ordnung bestimmen.
Kitty-City, die bunte Hauptstadt dieses Landes, ist ein Ort voller quirliger Straßen, moderner Cafés, Arbeitsplätze und Träume und mittendrin ist Feli, ein Menschenmädchen, das aus ihrem kleinen Heimatdorf in die große Stadt zieht, um ihr Glück zu suchen. Doch schon bald wird klar: Das Leben in Kitty-City ist nicht so einfach, wie sie es sich erhofft hat. Denn Feli kann die dortige Pfotenschrift, die Sprache der Katzen, nicht lesen. Ein scheinbares Detail, doch es macht aus fast jeder Alltagssituation eine kleine Krise. Ob beim Busfahren, im Restaurant, auf dem Arbeitsmarkt oder beim Knüpfen neuer Kontakte, überall lauern Barrieren aus Buchstaben, die Feli nicht entziffern kann. Aus Scham verheimlicht sie ihr Problem. Denn sie möchte nicht als “dumm” gelten oder auffallen, also flüchtet sie sich in einfache Jobs, bei denen sie keine Texte lesen muss und hält sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser.
Doch je mehr sie versucht, ihr Geheimnis zu verbergen, desto mehr entfremdet sie sich von ihrer Umgebung. Sie kann nicht mit Kolleg*innen essen gehen, weil sie die Speisekarten nicht versteht. Sie meidet Gespräche, in denen jemand ihr etwas zeigen oder erklären möchte. Die Angst, entlarvt zu werden, sitzt ihr ständig im Nacken und sie beginnt, sich mehr und mehr zurückzuziehen. Was von außen wie Arroganz wirkt, ist in Wahrheit Unsicherheit und ein großer innerer Schmerz. Felis Einsamkeit wächst, und mit ihr das Gefühl, in dieser Stadt nichts wert zu sein. Als sie einen Job verliert, weil sie zu traurig ist, um sich gut zu präsentieren und bei einem anderen Arbeitgeber um ihren Lohn betrogen wird, bricht für Feli eine kleine Welt zusammen.
Als Feli schließlich Herrn Puschel und seine Nudelküche kennenlernt, beginnt etwas in Bewegung zu kommen. Der kauzige, aber herzensgute Kater erkennt schnell, dass Feli ein Geheimnis hat. Doch anstatt sie zu drängen oder zu verurteilen, begegnet er ihr mit Respekt und Wärme. Sie beginnt, sich langsam zu öffnen. Sie spricht das erste Mal aus, dass sie nicht lesen kann. Und sie bittet um Hilfe.
Diese Entwicklung ist der emotionale Kern von “Felis Geheimnis”. Die Geschichte zeigt, wie lähmend das Gefühl sein kann, “zurückzubleiben”, nicht mithalten zu können und wie stark die eigene Scham Menschen isolieren kann. Aber sie zeigt auch, wie wichtig es ist, gesehen zu werden, ohne bewertet zu werden. Wie wichtig Lob und Anerkennung sind. Und wie Freundschaft und Empathie Türen öffnen können, die lange verschlossen schienen.
Visuell ist der Comic liebevoll gestaltet. Die Welt der Katzen ist detailreich, aber nicht überladen. Die Charaktere sind bewusst einfach gezeichnet, dabei aber sehr ausdrucksstark. Man erkennt sofort, welcher Kater welches Wesen hat. Die Hintergründe sind schlichter, aber funktional und laden ein, sich in Kitty-City wohlzufühlen. Die Farbgebung ist freundlich und zugänglich, mit hellen Tönen, wodurch sich das Buch auch sehr gut für jüngere Leser*innen eignet.
Obwohl der Comic sich an Kinder ab etwa acht Jahren richtet, funktioniert “Felis Geheimnis” auch als leise, eindringliche Auseinandersetzung mit einem Thema, das viele betrifft, über das aber nur selten gesprochen wird – Analphabetismus und die damit verbundene Ausgrenzung. Inga Steinmetz gelingt es, dieses Thema so einzubetten, dass es zugänglich bleibt, ohne zu vereinfachen. Die Geschichte ist leicht erzählt, in kleinen Episoden aufgebaut, die aber dennoch aufeinander aufbauen.
Von Carlsen Manga wird der Titel im handelsüblichen Taschenbuchformat des Verlags veröffentlicht. Da die Seiten in Farbe sind, ist der Manga etwas hochpreisiger, meiner Meinung aber mit neun Euro völlig im Rahmen.
Fazit
“Felis Geheimnis” ist ein stilles Plädoyer für Mitgefühl, Offenheit und soziale Teilhabe. Es zeigt, wie wichtig es ist, nicht vorschnell zu urteilen, denn hinter vermeintlicher Verschlossenheit steckt oft eine Geschichte, die es wert ist, gehört zu werden. Und manchmal beginnt eine große Veränderung mit einem kleinen Lob.
Der Manga ist meiner Meinung gut für die junge Leserschaft geeignet, man kann aber auch Erwachsener noch eine schöne Botschaft daraus ziehen und etwas mitnehmen für seinen Umgang mit anderen Menschen.

Bei diesem Manga handelt es sich um ein Rezensionsexemplar, welches mir freundlicherweise von Carlsen zur Verfügung gestellt worden ist. Vielen Dank dafür!