[Anzeige, da Rezensionsexemplar]
In Japan erschien “Idol Escape” zwischen März und Dezember 2023 im Comic Beam-Magazin von Enterbrain, einem Imprint der KADOKAWA CORPORATION. Die Geschichte ist mit insgesamt zwei Bänden abgeschlossen. Für Ito Kira ist es das erste Werk, welches auf dem deutschsprachigen Markt erscheinen wird.

Text & Zeichnungen: Ito Kira | Originaltitel: Idol Escape| Übersetzung: Christina Rinnerthaler | Genre: Drama | Demografische Zielgruppe: Seinen | Verlag: Hayabusa Manga | Preis: 8,00€ | mehr Informationen auf der Verlagsseite

Wie war’s?
Was passiert, wenn zwei verletzte Seelen aufeinandertreffen? Nicht in einer romantischen Komödie, sondern in einer Welt, die für sie beide keinen Platz zu haben scheint.
Idol Escape erzählt die Geschichte eines schwulen Jungen und eines Idol-Mädchens. Sie begegnen sich zufällig, überschreiten gemeinsam eine Grenze und werden plötzlich zu Gejagten: von der Gesellschaft, von der Polizei und von ihrer eigenen Vergangenheit. Was zunächst wie ein düsteres Drama beginnt, entwickelt sich zu einer berührenden Fluchtgeschichte über Würde, Identität und eine Form von Liebe, die sich jeder einfachen Kategorisierung entzieht.
Ainosuke ist jung, schwul, würde gerne mehr feminin sein und ist ungeliebt. Sein strenger Vater, ein Polizist, lehnt ihn ab, Gleichaltrige mobben ihn. Sein größter Wunsch ist es, eines Tages ein Mädchen zu sein. Allein in einem billigen Hotelzimmer träumt er davon, so schön zu sein wie sein Idol Karen Asahina, die ihn jeden Tag von einer Leuchtreklame aus anlächelt. Der Rückzug in eine stille, unerreichbare Welt ist sein einziger Schutz.
Als Karen plötzlich real und verletzlich vor ihm steht, verändert sich Ainosukes Leben schlagartig. Sie ist auf der Flucht, vor ihrem Produzenten, der sie sexuell unter Druck setzt, und vor einem System, das sie ausbeutet. Ainosuke versteckt sie, zunächst nur für drei Tage. Es beginnt eine stille Annäherung zwischen zwei Menschen, die sich zum ersten Mal wirklich gesehen fühlen. Karen schminkt Ainosuke, zeigt ihm, wie er sich schön fühlen kann, wie jemand, der er gerne wäre. Für beide ist es das erste Mal, dass ihnen jemand einfach zuhört.
Doch dieses fragile Gleichgewicht zerbricht, als Ainosuke Zeuge wird, wie Karens Vater sie schlägt. In einem Moment der Wut tötet er ihn. Es ist ein Bruch mit der Welt, aber zugleich ein Wendepunkt. Gemeinsam flieht er mit Karen und beginnt, zum ersten Mal für sich selbst einzustehen.
Idol Escape ist kein Romance-Manga. Die Beziehung zwischen Ainosuke und Karen ist zärtlich, aber nie idealisiert. Ihre Verbindung basiert auf gegenseitigem Verstehen und Schutz. Es ist eine Liebe ohne Label, doch voller Bedeutung. Sie zeigt sich in kleinen Momenten: wenn Karen Ainosukes Weiblichkeit bestätigt, wenn er sie verteidigt, ohne sie zu bevormunden, oder wenn beide einander die Erlaubnis geben, einfach sie selbst zu sein. Diese stille Form der Intimität entfaltet eine Kraft, die sich von gängigen Beziehungsmustern abhebt.
Der Manga ist mehr als nur eine Fluchtgeschichte. Er ist auch ein Kommentar auf soziale Kälte, patriarchale Strukturen und starre Geschlechternormen. Ainosukes Vater verkörpert die Härte eines Systems, das keine Abweichungen zulässt. Karen hingegen wird als Idol zum Objekt eines Marktes gemacht, der junge Mädchen zur Ware erklärt. Beide Figuren werden von Erwartungen geformt, gegen die sie kaum ankommen, bis sie sich gemeinsam dagegenstellen.
Auch die Erzählweise spiegelt diese Konflikte wider. Der Manga wechselt zwischen Ainosukes Perspektive und der seines Vaters, der im Verlauf der Handlung zunehmend mit den Konsequenzen seiner Erziehung konfrontiert wird. Das macht die Geschichte nicht nur spannender, sondern auch vielschichtiger.
Zeichnerisch bewegt sich Idol Escape auf solidem Niveau. Viele Panels sind atmosphärisch dicht, einige sogar tief bewegend, besonders in den stillen Szenen zwischen Ainosuke und Karen. Dennoch wirkt die Bildsprache stellenweise überinszeniert. Einige scheinen gezielt Emotionen steuern zu wollen. Statt subtiler Empfindung wird man als Leser mit Gefühlen konfrontiert, die manchmal zu direkt inszeniert erscheinen. Weniger wäre hier mehr gewesen.
Die Handlung leidet hingegen vor allem unter dem hohen Tempo. Besonders Ainosukes Entwicklung vom zurückhaltenden Außenseiter zum entschlossenen Täter wirkt etwas überhastet. Manche Nebenfiguren bleiben blass, obwohl ihre Geschichten Potenzial hätten, dem Manga zusätzliche Tiefe zu verleihen.
Von Hayabusa wird der Manga im handelsüblichen Taschenbuchformat des Verlags herausgegeben. Zum Auftakt gibt es eine Farbseite.
Fazit
Idol Escape erzählt von zwei Menschen, die sich gegen die Welt stellen müssen, weil sie in ihr keinen Platz finden. Die Geschichte ist kein romantisches Märchen, sondern ein Drama über Identität, Gewalt und die stille Kraft von Nähe.
Trotz inszenatorischer Schwächen und einiger überhasteter Entwicklungen bleibt Idol Escape ein solides Werk. Es ist roh, unbequem und ehrlich. Wer Geschichten über queere Identität, gesellschaftliche Außenseiter und unkonventionelle Verbindungen sucht und über erzählerische Schwächen wegsehen kann, sollte diesem Manga eine Chance geben.

Bei diesem Manga handelt es sich um ein Rezensionsexemplar, welches mir freundlicherweise von Hayabusa Manga zur Verfügung gestellt worden ist. Vielen Dank dafür!