[Anzeige, da Rezensionsexemplar]
Riyoko Ikeda gehört zweifelsohne zu den Mangaka, die die Shojo-Demografie nachhaltig geprägt haben. Gemeinsam mit Künstlerinnen wie Moto Hagio und Keiko Takemiya zählt sie zur sogenannten Gruppe der „24er“, die in den 1970er Jahren neue erzählerische und ästhetische Wege beschritten. Diese Pionierinnen führten nicht nur innovative Themen und emotionale Tiefe in das Genre ein, sondern sorgten auch dafür, dass Mangas für Mädchen fortan überwiegend von Frauen gezeichnet wurden – im Gegensatz zur vorherigen männlich dominierten Szene.
Ikedas bekanntestes Werk, “Lady Oscar – Die Rose von Versailles”, erschien erstmals 1972 und gilt heute als Meilenstein des Shojo-Manga. Jahrzehnte bevor Diversität, feministische Heldinnen und queere Subtexte zum Mainstream gehörten, schuf sie eine epische Geschichte, die sowohl inhaltlich als auch visuell Maßstäbe setzte.
In über 1.800 Seiten behandelt sie nicht nur das Leben am französischen Hof, sondern auch den gesellschaftlichen Umbruch der Französischen Revolution. Der Manga war in Japan ein riesiger Erfolg, wurde als Anime, Musical und international vielfach adaptiert.
Auf Deutsch erschien der Manga unter dem Titel “Die Rosen von Versailles” erstmals 2003 bis 2004 beim Carlsen Verlag. Die Ausgabe ist wenig überraschend inzwischen verlagsvergriffen. Durch Panini Manga, die sich bereits anderen Shojo-Klassikern angenommen haben, gibt es nun eine Neuveröffentlichung in neun Bänden.

Text & Zeichnungen: Riyoko Ikeda | Originaltitel: Versailles no Bara | Übersetzung: Katrin Stamm | Genre: Historisch, Drama | Demografische Zielgruppe: Shojo | Verlag: Panini Manga | Preis: 12,00€ | der Manga auf der Verlagsseite

Wie war’s?
Die Handlung beginnt mit der Heirat der 14-jährigen österreichischen Erzherzogin Marie Antoinette mit dem französischen Thronfolger Ludwig XVI. Damit tritt sie in die glanzvolle, aber auch gnadenlose Welt des Versailler Hofes ein. An ihrer Seite steht Oscar François de Jarjayes, die eigentliche Hauptfigur des Mangas: Tochter eines Generals, die als Junge erzogen wurde, um in der königlichen Garde zu dienen. Oscar trägt Uniform, kämpft mit dem Degen und widersetzt sich allen Geschlechterklischees, ohne ihre Identität als Frau zu verleugnen.
Im ersten Band folgen wir Marie Antoinettes ersten Schritten am französischen Hof. Ihre Begegnung mit Oscar und die ersten Feindschaften, die sie entwickelt. Ikeda verwebt in dem Shojo-Klassiker das höfische Leben mit politischer Realität. Die soziale Ungleichheit wird zunehmend thematisiert, der Schatten der Französischen Revolution ist bereits im ersten Band spürbar. Der Manga spielt dabei mit historischen Fakten, ohne sie dokumentarisch nachzubilden. Und gerade in dieser Mischung aus Fiktion und Geschichte liegt sein Reiz.
Visuell ist der Manga fest im Shojo-Stil der 70er verwurzelt: große Augen, Blumenmotive, dramatische Gestik, voller seltsamer Emotionen, übersteigerter Gefühle, leidenschaftlicher Lieben, schöner Mädchen und gutaussehender Männer in Hülle und Fülle. Diese oft überzeichnete Bildsprache trägt zum nostalgischen Charme bei, auch wenn sie manchmal übertrieben wirkt. Zeichnerisch überzeugt der Manga mit viel Detailverliebtheit, insbesondere bei Kleidern, Ballsälen, Uniformen und höfischer Etikette. Zwar sollte man keine historische Genauigkeit erwarten – etwa trägt Oscar eine napoleonische Uniform im Ancien Régime – doch der künstlerische Ausdruck überwiegt. Auch wenn der kawaii-Stil gelegentlich zu stark betont wird, etwa durch funkelnde Augen und Blütenhintergründe, trägt er letztlich zur einzigartigen Atmosphäre bei. Es muss zudem bedacht werden, dass der Zeichenstil fast 50 Jahre alt ist und sich seither viel verändert hat.
Riyoko Ikeda zeigt nicht nur die glänzenden Ballsäle von Versailles, sondern auch die Schattenseiten. Um den Kontrast zwischen höfischem Luxus und gesellschaftlicher Not zu verdeutlichen, verlagert der Manga Teile der Handlung nach Paris: In die Welt der Armenviertel, in denen Figuren wie Rosalie und Jeanne leben. Rosalie ist das klassische, naive, tugendhafte Mädchen. Jeanne hingegen kämpft sich mit Ehrgeiz und List aus der Armut. Ihr Weg zur adeligen Marquise Boulainvilliers, basierend auf einer Lüge über ihre Herkunft, ist nicht nur ein individueller Überlebenskampf, sondern auch eine bittere Satire auf die Leichtgläubigkeit und Oberflächlichkeit der feinen Gesellschaft. Diese Perspektivwechsel machen deutlich: Während in Versailles getanzt wird, hungert das Volk.
Gelegentliche übertriebene Mimiken und ironische Kommentare sorgen für Leichtigkeit und Ausgleich zur dramatischen Handlung. Manchmal war ich jedoch verwirrt, weil der Wechsel von Szenen, Atmosphäre, Ort und damit von Figuren ohne Übergang, mitten auf der Seite von einem Panel zum nächsten erfolgte.
Ikeda nimmt sich Freiheiten in der Darstellung historischer Figuren. So ist Marie Antoinette wird weitaus sanfter gezeichnet als in französischen Darstellungen. Im Manga werden die Fehler und bestimmten Verhaltensweisen der Königin durch eine Art von Unschuld entschuldigt. Diese romantisierte Sichtweise mag aus französischer Perspektive ungewohnt wirken, verleiht der Figur jedoch emotionale Tiefe.
Von Panini Manga wird die Neuauflage des Klassikers im Großformat veröffentlicht. Das Papier ist dabei hochwertig und man erhält für einen fairen Preis Klappbroschur und eine goldfarbene Coververedlung sowie Farbseiten und als Extra eine Artcard, die das Cover abbildet.
Fazit
“Lady Oscar – Die Rose von Versailles” ist ein Werk, das sich nicht nur durch seine opulente Ästhetik auszeichnet. Es vereint historische Ereignisse mit persönlichen Schicksalen und romantischen Tragiken.
Mit der neuen deutschen Ausgabe bietet sich die perfekte Gelegenheit, diesen Manga-Klassiker (wieder) zu entdecken. Wer sich für ältere Shojo interessiert oder in Nostalgie schwelgen möchte, wird hier fündig.

Bei diesem Manga handelt es sich um ein Rezensionsexemplar, welches mir freundlicherweise von Panini Manga zur Verfügung gestellt worden ist. Vielen Dank dafür!