[Anzeige, da Rezensionsexemplar]
Es gibt nur noch wenige Sportarten, die nur für ein Geschlecht olympisch sind. Bei den Olympischen Sommerspielen 2020 in Tokio waren es die Rhythmische Sportgymnastik und Synchronschwimmen. Bei den Winterspielen 2022 in Peking die Nordische Kombination.
Und genau um eine dieser Sportarten geht es in der neusten Kurzreihe bei Hayabusa, Tanz in die abendliche Stille. Die Serie stammt von Mangaka Yumi Kurokawa und ist die erste längere Reihe nach einigen zuvor veröffentlichten Kurzgeschichten.
Die zweibändige Reihe, die im Original unter dem Titel Yuunagi ni Mae, Boku no Ribbon erscheint, begann seine Veröffentlichung 2018 im Seinen-Magazin Harta vom Verlag Enterbrain und wurde 2020 beendet. Der Manga wurde zudem in zwei Bänden auf den Markt gebracht.
Die Lizenz für den deutschen Markt sicherte sich Hayabusa Manga, die den ersten Band im Januar 2023 veröffentlichten. Der zweite Band soll Ende Februar erscheinen.
Story & Zeichnungen: Yumi Kurokawa | Originaltitel: Yuunagi ni Mae, Boku no Ribbon | Übersetzung: Martin Bachernegg | Genre: Drama, Sport, Slice-of-Life| Verlag: Hayabusa| Preis: 12,00€ | Weitere Informationen zum Titel
Wie war’s?
Der Manga beginnt im Jahr 1984, in dem die Rhythmische Sportgymnastik zum ersten Mal olympisch ist. Rintaro kämpft gerade damit, den Tod seiner Mutter zu verarbeiten. Die Familie hat kaum Geld und sein Vater flüchtet sich in seine Arbeit als Fischer, währen sich seine ältere Schwester Mika um den Haushalt kümmert.
Auch die Schule belastet Rintaro, denn immer wieder wird er zum Mobbingopfer seiner Klassenkameraden. Doch anstatt Unterstützung gibt es zuhause von seinem Vater nur Vorwürfe, weshalb er sich nicht wie ein richtiger Junge wehren würde. Auf der Suche nach einem Versteck nach einer erneuten Mobbingattacke flüchtet er in einen verlassenen Tempel und trifft dort ausgerechnet auf seine Lehrerin Frau Samejima. Die nutzt die Ruhe des Tempels zum Tanzen und zieht den jungen Schüler mit ihren Bewegungen sofort in den Bann. Als sie ihn bemerkt, flüchtet Rintaro Hals über Kopf. Doch loslassen wird in diese Sportart nicht mehr, denn zuhause angekommen, schaut seine Schwester gerade die Übertragung der ersten olympischen Entscheidung der Rhythmischen Sportgymnastik bei den Olympischen Spielen, die den Schüler einmal mehr fesselt.
Rintaro ist fasziniert und findet sich immer wieder am Fenster zur Turnhalle wieder, wo er Frau Samejima und seine Mitschülerin Nodoka beim Trainieren beobachtet und sich nicht losreißen kann. Als die Lehrerin ihn einmal mehr entdeckt, bietet sie ihm an, dass er gerne mit ihnen trainieren könne. Doch es kommt, wie Rintaro geahnt hat: Sein Vater möchte nicht, dass er trainiert, da alles Geld bereits für andere Dinge eingeplant ist.
Rintaro möchte aber nicht aufgeben und gibt alles, turnen zu dürfen. Doch die Hürden, auf die er trifft, scheinen zahlreich zu sein.
Die sportinteressierte Leserschaft geht mit mehr Wissen heran, als Hauptcharakter Rintaro. Wir wissen, dass er auch fast 40 Jahre später als Mann wohl auf Widerstand treffen würde, wenn er dieser Sportart nachgehen wollen würde. Denn auch zum jetzigen Zeitpunkt sind in dieser Turnsportart auf internationalem Level nur Frauen zugelassen. Rintaro wird also nie um olympische Medaillen kämpfen können.
Der Manga bringt einem auf eine gute Weise nah, worum es in der Sportart geht und welche verschiedenen Handgeräte genutzt werden – der Fokus liegt aber klar auf dem Band, welches den Jungen am meisten fasziniert.
Aber selbst, wenn man mit einigen Begrifflichkeiten wenig anfangen kann, so lässt sich der Manga dennoch verfolgen, da es nicht unbedingt nur um die Sportart geht. Die Rhythmischen Sportgymnastik ist vielmehr eine Metapher für Geschlechterrollen und Dingen, die uns verwehrt werden, nur weil wir das falsche Geschlecht haben. Die Geschichte von Rintaro lässt sich so auf viele Lebensbereiche übertragen und genau deshalb die Leserschaft packen. Denn auch wenn die Handlung in 1984 spielt, so kann man am Beispiel der Rhythmischen Sportgymnastik, aber auch vielen anderen Sportarten, sehen, dass auch heute keine Gleichberechtigung im Sport erreicht wurde.
Es geht nicht darum, was “typisch” männlich oder weiblich ist, sondern darum, was dich erfüllt und was dein Leben lebenswerter macht. Das ist einer der großen Botschaften es Titels. Wir lernen Rintaro als schüchternen Jungen kennen, der nach dem Tod der Mutter aus der Bahn geworfen ist und wenig Freude findet. Durch den Band hinweg findet er durch die Rhythmischen Sportgymnastik wieder Lebensfreude und etwas, dass ihn verändert. Er lässt sich nicht unterkriegen, steht für seine Leidenschaft ein und opfert viel für das, was ihm wichtig ist. Durch seinen Sport lernt er, sich gegen die Widrigkeiten zu behaupten.
Natürlich trifft er dabei auf Hürden, nicht zuletzt in der eigenen Familie. Sein Vater ist in den starren Bildern verankert, mit denen er erzogen wurde, und so will er seinen Sohn in Zukunft auf seinem Fischerboot sehen und nicht einem Traum hinterherjagen, noch dazu, wenn es etwas “für Frauen” ist. Aber auch seine Lehrerin Frau Samejima ist von dem Geschlechterdenken nicht ausgeschlossen. Sie sieht zwar, dass Rintaro großes Talent hat, möchte ihn aber überreden, eine kraftvolle Variante zu wählen, in denen Männer antreten dürfen.
Die Zeichnungen von Yumi Kurokawa passen sehr gut zur Atmosphäre, die der Titel anschlägt. Die Illustrationen besitzen einen feinen Strich, der gut zur Thematik der filigranen Sportgymnastik passt. Insbesondere in Bewegungsszenerien kann Kurokawa mit einem lebendigen und dynamischen Stil überzeugen. Die Panels sind typisch für Seinen klar abgegrenzt und meist rechteckig. Ab und an brechen die Figuren aber aus diesen heraus, was dem Titel weitere Dynamik verleiht. Das Charakterdesign fällt individuell aus und es fällt leicht, die jeweiligen Figuren zu unterscheiden.
Hayabusa hat sich für ein Großformat entschieden, welches den Stil von Yumi Kurokawa gut unterstützt. Darüber hinaus erhält der Titel eine minimale Cover-Veredlung in der Typografie. Etwas schade ist aus meiner Sicht, dass das Papier doch ein wenig durchscheinend ist.
Fazit
Mit Tanz in die abendliche Stille bringt Hayabusa einen bewegenden Slice-of-Life-Titel heraus, der sich mit Geschlechterrollen befasst und diese aufzubrechen versucht. Der Titel ist trotz seiner Handlung in den 80ern auch heute noch relevant und liefert auch abseits der Rhythmischen Sportgymnastik interessante Aspekte, die den Manga zu einem besonderen Lesevergnügen machen.
Bei diesem Manga handelt es sich um ein Rezensionsexemplar, welches mir freundlicherweise von Hayabusa Manga zur Verfügung gestellt worden ist. Vielen Dank dafür!