Herzlich willkommen auf meinem Mangablog. Hier findet ihr Rezensionen zu deutschen und englischen Manga sowie Beiträge über Themen und Aspekte, die mich an dem Medium interessieren. Ab und an schaue ich auch über den Tellerrand hinaus und schnuppere in Comic-Kunst abseits Japans hinein.

Was bleibt von unseren Träumen? -Manga Review

Was bleibt von unseren Träumen?

[Anzeige, da Rezensionsexemplar]

“Was bleibt von unseren Träumen?” erschien in Japan unter dem Titel Yume no Hashibashi vom Oktober 2018 bis zum Mai 2020 im Josei-Magazin Feel Young von Shodensha. Die Kapitel wurden zudem in zwei Bänden auf den Markt gebracht. 

In Deutschland sicherte sich Carlsen Manga die Lizenz und bringt das Werk in einem Sammelband heraus, der beide japanischen Bände erhält. Für Mangaka Yumi Sudo, die in Japan bereits auf einige Veröffentlichungen zurückblickt, ist es der erste Manga auf dem deutschsprachigen Markt. 

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Text & Zeichnungen: Yumi Sudo | Originaltitel: Yume no Hashibashi | Übersetzung: Lasse Christian Christiansen | Genre: Drama, Girls Love| Demografische Zielgruppe: Josei| Verlag: Carlsen Manga | Preis: 16,00€ |In einem Band abgeschlossen | mehr Informationen auf der Verlagsseite

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Wie war’s?

Die Geschichte entfaltet sich am Ende des Sommers 2018, wenn Kiyoko, eine ältere Dame, die unter Demenz leidet, Besuch von einer alten Freundin erhält: Mitsu. Ihre Begegnung ist von intensiven Gesten und Blicken geprägt, und es ist sofort ersichtlich, dass zwischen ihnen mehr als nur eine langjährige Freundschaft besteht. Von den ersten Zeilen an wird ihre Liebe betont und in den Vordergrund gestellt. Kiyoko und Mitsu sind seit ihrer Begegnung im Jahr 1948 im Alter von 15 Jahren an der Schule ineinander verliebt. Ihre Liebe, die damals zurückhaltend war, ist im Laufe der Jahre gewachsen und hat sich nie geändert.

Mit diesem Wiedersehen werden die Erinnerungen, die im Kopf der zunehmend vergesslichen Kiyoko schlummern, wieder lebendig. Es entfaltet sich eine melancholische, nostalgische und bewegende Reise in die Vergangenheit und in die Gefühle der beiden Frauen, die ein Leben lang miteinander verbunden waren.

Obwohl die Verbindung zwischen den beiden Frauen von einem starken Wunsch geprägt ist, ein gemeinsames Leben zu führen, werden sie von den gesellschaftlichen Konventionen auf unterschiedliche Wege geführt. Mitsu zeigt Selbstbewusstsein, indem sie sich gegen die traditionelle Rolle der Ehefrau und Mutter wehrt. Sie stellt sich sogar ihrer eigenen Mutter entgegen, die sie verheiraten will, um die Familienehre zu wahren. Im Gegensatz dazu ist Kiyoko zerbrechlicher und hat weniger Selbstwertgefühl. Sie unterwirft sich den gesellschaftlichen Normen, obwohl sie sich in ihrer Jugend dagegen auflehnen wollte.

Kiyoko erliegt ihrer Angst, dass sie anders ist, und entscheidet sich daher, zu heiraten und eine Tochter zu bekommen. Doch die Liebe, die sie für Mitsu empfindet, lässt sich nicht einfach verdrängen. Egoistisch bittet sie Mitsu, ihre Entscheidung zu akzeptieren und dennoch an ihrer Seite zu bleiben.  Mitsu zögert zunächst, doch kann letztendlich nichts anderes tun, als sich dem Wunsch ihrer Geliebten zu fügen und im Schatten zu bleiben.

Über die Jahre hinweg verlieren sich die beiden Liebenden, nur um später wieder zusammenzufinden und zu erkennen, dass die Liebe, die sie einst verbunden hat, nie schwächer wurde. Und vielleicht hätten sie in einer anderen Zeit den Traum von einem gemeinsamen Leben verwirklichen können? In dieser Hinsicht durchzieht ein Hauch von Nostalgie und Melancholie das Werk, das zum Nachdenken anregt. 

Die Mangaka verwendet eine Erzähltechnik, die in der Gegenwart beginnt und sich dann mit jedem Kapitel weiter in Richtung Vergangenheit orientiert. Obwohl diese Herangehensweise für die Geschichte von Bedeutung ist und ihren Zweck erfüllt, wirkt sie in der Praxis nicht immer flüssig. An einigen Stellen hatte ich persönlich leider das Gefühl, aus der Handlung gerissen zu werden. Gleichzeitig trägt diese Erzählweise jedoch dazu bei, das Gefühl von Nostalgie und Melancholie intensiver zu gestalten. 

In “Was bleibt von unseren Träumen?” gelingt es Yumi Sudo, die unterschiedlichen Gefühle der beiden Protagonisten in den verschiedenen Epochen zu vermitteln. Sie schafft es, ein Japan zu zeigen, das sich zusammen mit den beiden Hauptfiguren verändert. Ein Land, das sich in ständiger Entwicklung befindet, obwohl es noch sehr rückständig ist, was die Akzeptanz von Dynamiken betrifft, die von dem akzeptierten Status quo abweichen. Durch die Erzählung ihres Lebens, ihrer verpassten Begegnungen und der Zwänge des gesellschaftlichen Lebens entsteht ein großartiges Frauenporträt mit vielen Nuancen.

Die Illustrationen sind zart, mit einem extrem feinen Strich, aber dennoch ausdrucksstark. Sie unterstützen auch die Charakterisierung der beiden Protagonisten, die realistisch wirken, obwohl sie aufgrund des begrenzten Raums, den die Autorin für die Erzählung ihrer Geschichte hat, nicht allzu tiefgründig sind. Besonders die Gesichter, die oft in Dreiviertel- und Nahaufnahmen gezeigt werden, sind sehr aussagekräftig.

Carlsen Manga veröffentlicht den Titel in einem Großformat. Der Umschlag kommt einem Acrylpapier nahe, welches den Manga hervorstechen lässt, allerdings auch anfällig für Beschädigungen und Schmutz ist. Als Extra liegt in dem Band ein Artprint bei.

Fazit

Mit seinen bewegenden und treffenden Botschaften über die japanische Gesellschaft und die lesbischen Beziehungen im Nachkriegsjapan ist “Was bleibt von unseren Träumen?” nicht nur ein Gesellschaftstitel, sondern auch eine ergreifende Lebensgeschichte, deren Inszenierung und Zeichnungen aus der Feder von Yumi Sudo mir sehr gut gefallen haben.

“Was bleibt von unseren Träumen?” präsentiert einen Manga mit einer starken emotionalen Komponente und einer kraftvollen feministischen Wirkung.

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Bei diesem Manga handelt es sich um ein Rezensionsexemplar, welches mir freundlicherweise von Carlsen zur Verfügung gestellt worden ist. Vielen Dank dafür!

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