Herzlich willkommen auf meinem Mangablog. Hier findet ihr Rezensionen zu deutschen und englischen Manga sowie Beiträge über Themen und Aspekte, die mich an dem Medium interessieren. Ab und an schaue ich auch über den Tellerrand hinaus und schnuppere in Comic-Kunst abseits Japans hinein.

Thorfinn

Die “historische” Figur Thorfinn Karlsefni [Spoiler möglich]

Nachdem ich mich zuletzt mit dem Saga-Stoff beschäftigt hatte, der als Grundlage für den Manga Vinland Saga diente, steht heute die Hauptperson des Mangas im Mittelpunkt. Wer ist eigentlich dieser Thorfinn Karlsefni?

Hand auf’s Herz: Ich finde, Thorfinn ist ein interessanter Charakter und Yukimura zeichnet im Manga eine tiefe Charakterentwicklung nach. Aber wer ist eigentlich seine Ursprungsfigur? Wer war dieser Thorfinn, aus den Sagas, die Yukimura als Grundlage und Inspiration für seine Reihe nimmt? Dem möchte ich heute in meinem Beitrag im Manga-Spotlight nachgehen.

Diesen Beitrag habe ich als Spoiler-Beitrag gekennzeichnet, da ich leider nicht versprechen kann, euch nicht über Manga-Inhalte zu spoilern. Auch könnten die hier vorgestellten Inhalte der Ursprungstexte Spoiler für die weitere Geschichte des Mangas sein, je nachdem welche Dinge Yukimura davon in seinen Manga einbaut.

Das Ausgangsmaterial

Yukimura nutzt für seine Reihe Vinland Saga alte nordische Saga-Texte aus dem Mittelalter als Grundlage für die Story-Idee und Figuren. Besonderen Stellenwert nehmen dabei unter anderem zwei Sagas ein: Saga von Erik des Roten und die Grönland-Saga. Daneben finden sich aber auch Anlehnungen an andere Saga-Texte.

Solltet ihr mehr Interesse an dem literarischen Ausgangsmaterial haben. Darüber habe ich vor zwei Wochen einen ausführlichen Beitrag mit hilfreicher Literatur verfasst.

Der jugendliche Thorfinn

Hättet ihr wohl gerne, was? Über den jugendlichen Thorfinn herrscht im historischen Material Funkstille. Thorfinn tritt erst dann auf, als er nicht mehr grün hinter den Ohren ist. In den Sagas hat Thorfinn vor allem in der Saga von Erik des Roten viel Raum erhalten. Er nimmt in sechs der 14 Kapitel eine entscheidende Rolle ein. In der Grönland-Saga ist Thorfinn indes nur im siebten und neunten Kapitel die zentrale Figur.

Trotz des Fokus auf seinen Charakter in der Saga von Erik des Roten, sind die Informationen, die wir über Thorfinn’s Leben vor dem Start der Vinland-Expedition erfahren relativ gering. Er wird als reicher Händler, Schiffskapitän und großer Kaufmann beschrieben. Weder sein Geburts- noch sein Sterbedatum werden genannt. Yukimura nutzt das, um die ergreifende Geschichte um den jungen Thorfinn zu formen, die ihm zu dem Entschluss führen, nach Vinland zu wollen.

Die Abstammung Thorfinns

Was Thorfinns Abstammung angeht, unterscheiden sich die beiden Ursprungstexte. Er wird in der Saga von Erik dem Roten als Sohn von Thórdar Hesthöfðar (Pferdekopf) und seiner Frau Thorunn eingeführt. Die Grönland-Saga nennt seine Mutter hingegen gar nicht. Die Informationslücke wird im Manga dazu genutzt Thorfinns Mutter, Helga, und seinen Großvater Jarl Sigvaldi Strut-Haraldsson zu schaffen. Er ist ein bekannter Charakter aus der Jómsvíkinga Saga. Sigvaldi Strut-Haraldsson war Anführer der sagenumwobenen Jomswikinger und Kommandeur ihrer Festung – Jomsborg.

Jarl Sigvaldi
By Halfdan Egedius – Book: Snorre Sturlaśon – Heimskringla, J.M. Stenersen & Co, 1899., Public Domain

Neben seinem Großvater wird auch Thorfinns Vater als einer der vier Kapitäne der Jomswikinger vorgestellt. Er war bei der Schlacht bei Hjørungavåg geflohen, was später eine große Bedeutung in Thorfinns Leben einnehmen wird. Auch wenn Thors nicht namentlich in der Saga der Jomswikinger genannt wird, so gibt es doch eine Person, die ihm sehr ähnelt: Búi der Kräftige. Sein Beiname lässt einen Körperbau vermuten, der Thors nahekommt. Wie Thors fiel auch er während der Schlacht bei Hjørungavåg ins Wasser und verschwand daraufhin spurlos.

Als dritte Figur aus der den Kreisen der Jomswikinger hat auch Thorkell the Tall eine große Rolle im Manga. Er wird als Großonkel von Thorfinn vorgestellt und ist eine berühmte historische Figur. Bekannt ist er dafür, dass er Seiten wechselte. Eine historische Gegebenheit, die sich Yukimura im Kampf um London zu nutzen macht.

Die Motivation für seinen Seitenwechsel unterscheidet sich dabei jeweils. In der Reihe wird Thorkell als großer Wikinger mit herausragender Stärke und einem Kampfdurst dargestellt. Seine Motivation die Seiten zu wechseln und mit den Engländern zu kämpfen, war im Manga der Wunsch, andere Wikinger zu bekämpfen, da ihm die Kämpfe gegen die Engländer zu langweilig wurden.

Sein Vorbild wechselte die Seiten, nach der Ermordung des Erzbischofs, Ælfheah, von Canterbury. Dieser wurde monatelang mit weiteren Einwohnern Canterburys als Geisel gehalten, weigerte sich aber zu einer Gelzahlung. In einem Saufgelage kam es schließlich zum Mord an dem Erzbischof. Thorkell soll versucht haben, das zu verhindern und sogar den Großteil seines Besitzes geboten haben. Durch diese Ermordung desillusioniert sind Thorkell und andere Wikinger zur englischen Seite übergelaufen und kämpften 1013 gegen die Invasion des dänischen Königs Sweyn und dessen Sohnes Knut. Später steht er dann allerdings wieder unter dem Service des dänischen Königs.

Thorfinns Motiv, nach Vinland zu reisen

In den ursprünglichen, mittelalterlichen Texten ist Thorfinns Motiv, nach Vinland zu reisen, ähnlich wie von seinen Zeitgenossen: Um Ruhm und Reichtum zu ernten, in dem wohlhabende Länder kolonisiert werden.

Ein Beweggrund, der nicht gerade guten Stoff für eine Mangareihe bietet. Yukimura schreibt die Motive von Thorfinn um. Nach seinen frühen Sünden hat er nichts anderes im Sinn als die Gründung eines utopischen Landes ohne Sklaverei und Kriege.

Thorfinn in Vinland

Thorfinns Expeditionen sind in der Grönland-Saga und der Saga von Erik dem Roten dokumentiert, die zusammen als “Die Vinland-Sagas” bezeichnet werden, aber in den Details sehr unterschiedlich sind.

Die Saga von Erik dem Roten zollt dabei Thorfinn viel Respekt. So unternimmt zum Beispiel in der Grönland-Saga zuvor auch Thorvald Eiriksson nach Leif Eriksson eine Reise nach Vinland, wobei er durch Pfeile der Ureinwohner stirbt. Ein Fakt, der auch in dem Manga aufgegriffen wird. In der Saga von Erik dem Roten reist er erst gemeinsam mit Thorfinn nach Vinland, um dort einen fantastischen Tod durch den Schuss eines einbeinigen Wesens zu sterben. Auch wird die Benennung der einzelnen Länder durch Thorfinn und nicht Thorvald vorgenommen.

Bitte beachtet bitte, dass diese Ereignisse noch nicht im Manga passiert sind. Sie könnten also extrem spoilern über mögliche Handlungsstränge und Personen, auch wenn Yukimura sich Freiheiten nimmt, einige Dinge zu ändern. Better safe then sorry.

Grönland-Saga

Nach der Grönland-Saga begann die Expedition von Thorfinn Karlsefni nach seiner Heirat mit Gudrid Thorbjarnardóttir. Die Heirat von Gudrid wurde zu einem früheren Zeitpunkt der Saga von ihrem ersten (zweiten) Ehemann Thorstein Eriksson vorhergesagt. Auf die Expedition brachten sie auch Vieh mit, was zeigt, dass sie vorhatten, sich für einen längeren Zeitraum niederzulassen. Sie fällten Holz, legten Felder an, ernteten Trauben, fingen Fisch und jagten Wild.

Eines Tages erschreckt ein Bulle, den sie mitgebracht hatten, die Ureinwohner (Skraelingar). Dies flüchteten in Richtung Thorfinns Hof und wollten gegen Felle und andere Waren Waffen eintauschen. Einen Handel, den er nicht einging. Stattdessen versuchte er sie, mit Milch zu beschwichtigen. Dieser Tauschhandel funktionierte. Beim zweiten Mal kamen die Skraelingar mit einer größeren Menge und es entzündet sich ein Konflikt, bei dem ein Skraelingar durch Thorfinns Knecht erschlagen wird.
Nun beschlossen Thorfinn und die anderen, dass das Land zwar die besten Voraussetzungen für eine ständige Besiedlung biete, der Konflikt mit den Skraelingern aber nicht aufhören würde und die Anzahl der Nordmänner zu gering sei. Daraufhin wurden Vorbereitungen für die Rückfahrt nach Grönland getroffen.

In Vinland brachte Gudrid Throfinn Karlsefinis Sohn Snorri zur Welt.

1040px Vinland Map HiRes Manga
By Yale University Press – Yale University, from this website, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2698304

Saga von Erik dem Roten

Auch in der Saga von Erik dem Roten heiratet Thorfinn Gudrid, ehe er mit seiner Mannschaft und seiner Frau in Richtung Vinland aufbricht.

Auf dem Weg nach Vinland überwintert die Crew auf einem Stück Land. Als die Vorräte zu Neige gehen, finden sie am Strand einen angespülten Wal. Doch nach dem Essen wird den Männern schlecht. Thorhall erklärt daraufhin, dass er den Wal erhalten habe, nachdem er zu Thor bat. Die christlichen Mitglieder sind davon erschrocken. Sie werfen das Fleisch zurück ins Meer und beten zu Gott, worauf hin es ab dem Folgetag immer üppig an Nahrung gegeben hätte.

Die Gruppe von Thorhall und Thorfinn trennen sich und erkunden das neue Land in entgegengesetzte Richtungen. Thorfinns Expedition führt in Richtung Süden, wo er auf eine üppige Gegend voller Weizen, Fisch und Wild gibt. Er versucht, Kontakt mit den Einheimischen aufzunehmen, doch die ziehen ab. Die Grönländer überwintern dort und das Vieh wächst gut heran.

Im folgenden Frühjahr begegnet die Expedition den Eingeborenen und versucht mit ihnen Handel zu betreiben, bis ein Bulle losbricht und die Eingeborenen abschreckt. Die Eingeborenen kehren nach drei Wochen mit feindlicher Absicht zurück, es kommt zu einem Gefecht, und die Grönländer versuchen, so gut sie können, in den Wald zu fliehen. Karlsefni und seine Männer werden von Freydis gerettet, die die Eingeborenen abschreckt, indem sie sie mit einem Schwert von einem der gefallenen Grönländer auf die nackte Brust schlägt.

Thorfinn erkennt, dass das Land zwar viel zu bieten habe, dass es aber nicht wert sei, in ständiger Angst auf Angriffe leben zu müssen. Die Expedition zieht es zurück nach Norden, wo man vergeblich nach Karlsefni Thorhall sucht. (Der ist inzwischen in Irland als Sklave genommen worden und in einer Prügelei gestorben.) Karlsefnis Männer begegnen der einbeinigen Kreatur, die Thorvald Eiriksson mit einem Pfeil erschießt.

Schließlich verlassen sie das Land und nachdem Thorfinn und Gudrid einige Zeit in Grönland verbracht haben, kehren sie zu Thorfinns Farm in Reynines in Island zurück.

Habt ihr Interesse an weiterer solcher Texte über die Figuren in Vinland Saga? Lasst es mich ruhig in den Kommentaren oder auf meinen sozialen Kanälen wissen. Es wird natürlich seine Zeit dauern, da ich im Zweifel die Texte auf der Originalsprache lesen muss, aber wie heißt es so schön: Gut Ding will Weile haben.

MEINE LITERATURTIPPS

Euch interessiert das Thema Sagas? Dann habe ich hier eine kleine Übersicht über Literatur und übersetzten Texten.

  • Englische Übersetzung Saga von Erik dem Roten
  • Index of the Sagas: Eine große Datenbank mit vielen übersetzten Saga-Texten, z.T. auch Deutsch. (Achtung: Einige der hier besprochenen Sagas gibt es dort nur auf Dänisch oder im Altnordischen.)
  • Jómsvíkíngasaga – Eine Übersetzung der Saga in nordischen Sprachen.
  • Island Sagas, Diederichs. München 1995.(ISBN:3-424-01301-3): Dreibändige Ausgabe, die meines Wissens im Handel nicht mehr erhältlich ist. Aber noch gut gebraucht zu bekommen für kleines Geld. Teilweise ältere Übersetzungen. Enthalten sind hier u.a. die hier behandelte Saga von Erik dem Roten, die Jómsvíkíngasaga und die Grœnlendinga-Saga (alle in Bnd. 3,den ihr auch einzeln kaufen könnt).
  • Klaus Bödl, Andreas Vollmer und Julia Zernack (Hrsg.): Isländersagas: Die Neuübersetzung (Fischer Klassik). Frankfurt am Main 2014 (ISBN:978-3596905874): Es gibt auch eine vierbändige Ausgabe mit einer größeren Auswahl an Saga-Texten, für den Einstieg empfehle ich aber diese günstigere Ausgabe. Es sind 17 Isländersagas übersetzt, darunter auch die beiden Vinland Sagas.
  • Klaus Bödl, Andreas Vollmer und Julia Zernack (Hrsg.): Die Vínlandsagas: Isländersagas (Ebook): Dieses Ebook beinhaltet eine deutsche Übersetzung der beiden Vinland Sagas. Es ist ein Ebook-Auszug aus der oben erwähnten vierbändigen Ausgabe, der für wenige Euro erworben werden kann.

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