[Anzeige, da Rezensionsexemplar]
In Japan gefeiert, in Deutschland fast vergessen, so könnte man wohl die Person Shigeru Mizuki auf einen Satz herunterbrechen. Ein Umstand, der angesichts seiner Bedeutung für die japanische Manga- und Animekultur kaum zu glauben ist. Shigeru Mizuki hat viele Facetten. Er gehört zu der Generation von Mangaka, die nach dem Zweiten Weltkrieg den modernen Manga prägten und er war einer der ersten, der Manga für Erwachsene schrieb. Zudem war er einer der Ersten, die persönliche Erlebnisse in seinen Werken verarbeitete und sich mit der Geschichte Japans auseinandersetzte. Mizuki ist einer der wenigen, die sich trauten einen kritischen Blick auf Japans Verstrickung im Zweiten Weltkrieg zu werfen. Gleichzeitig hat er durch “GeGeGe no Kitaro”, einem seiner bekanntesten Werke einen bedeutenden Einfluss auf viele der bekannten Franchise der heutigen Zeit. Ohne ihn und seine Yokai-Geschichten gäbe es heute wohl kein Pokémon, Digimon oder Ghibli-Kassenschlager wie “Chihiros Reise ins Zauberland” oder “Mein Nachbar Totoro”.
Nachdem Mizuki hier jahrelang mit Nichtbeachtung gestraft wurde, hat sich Reprodukt als erster deutscher Verlag an Mizuki herangetraut. Nach ist “Auf in den Heldentod!”, “Hitler” und “Tante NonNon” ist “Shigeru Mizuki – Kindheit und Jugend” bereits das vierte Werk des Mangakas, welches bei dem Verlag erscheint. Der Band ist im Großformat mit Klappenbroschur gestaltet und knapp 480 Seiten stark.
ECKDATEN ZUM MANGA
Text&Zeichnungen: Shigeru Mizuki
Originaltitel: Boku no Isshou wa Gegege no Rakuen da
Genre: Autobiografie, Drama, Historisch
Verlag: Reprodukt
Preis: 24€
Weitere Informationen & Leseprobe
Worum geht es?
“Shigeru Mizuki – Kindheit und Jugend” ist der Auftakt in eine autobiografische Reihe, die der Mangaka im Jahr 2001 verfasst hat. In der Reihe erzählt Shigeru Mizuki seine Geschichte und damit gleichzeitig auch die Geschichte Japans und die des Mangas. Der erste Band umfasst dabei die Kindheit und Jugend des Autors und Zeichners im ländlichen Japan bis hin zu seiner Einberufung in die Armee im Jahr 1943.
Meine Meinung
Eine Autobiografie zu bewerten ist nicht immer ganz leicht. Immerhin bewertet man indirekt ja auch das Leben des Autors. Der Band beginnt damit, dass wir den 79-Jährigen Mizuki an seinem Schreibtisch vorfinden und er uns berichtet, dass es an der Zeit wäre, sein Leben niederzuschreiben. Danach beginnt die Geschichte von der Geburt Mizukis und wir begleiten ihn durch seine wichtigsten Lebensstationen in der Kindheit und Jugend. Gleichzeitig ist das Werk auch ein Querschnitt durch die Geschichte des Landes, bei dem der Leser die wichtigsten historischen Ereignisse kurz erläutert werden.
Mizuki berichtet davon, wie seine Eltern aus angesehenen Familien stammen, dann aber mit der Industrialisierung Japans ihr Geschäft und den Wohlstand verloren. Er erzählt von seinem Vater, der seither von Anstellung zu Anstellung hetzt, um genug Geld für die Familie zusammenzubekommen. In einer Zeit, in der auch die Weltwirtschaftskrise Japan immer mehr in seine Umklammerung nimmt. Der Leser erfährt, wie die Armut sich ausbreitete und sogar Kinder als Arbeitskräfte verkauft wurden.
Ein wichtiger Fixpunkt in Mizukis Kindheit und seinem Schaffen ist Tante NonNon. Sie erzählt dem jungen Mizuki von japanischen Geistergeschichten und führt ihn in eine mystische Welt ein, aus der er viele Inspirationen für sein späteres Schaffen nimmt. Ihr hat Mizuki auch einen eigenen Manga gewidmet, der ebenfalls bei Reprodukt erschienen ist.
Später nimmt dann der Krieg eine immer größere Rolle ein. Ein Krieg, dem sich auch Mizuki nicht entziehen kann und schließlich eingezogen wird. Es folgt eine Periode, die den Mangaka für seine Zukunft prägen wird.
All diese Fakten und Informationen werden dem Leser dabei keinesfalls trocken serviert. Mizuki sorgt mit dem Einblick in seine Familie und mit Humor für die nötige Auflockerung, sodass das Lesevergnügen nicht verloren geht.
Zudem tritt bei historischen Ereignissen eine von Mizukis bekanntesten Figuren, Nezumi Otoko, als Sprachrohr und Erklärer auf. Er ist eine der eigenen Yokai-Kreationen des Autors und ist eine der wichtigsten Charaktere in GeGeGe no Kitaro, dem Werk, mit dem Mizuki große Bekanntheit erlangte. Auch zwischendurch sieht man ihn ab und an im Hintergrund lungern. Sein Auftreten fand ich eine nette Ergänzung, ebenso das zwischenzeitliche Einschalten des erwachsenen Mizuki.
Shigeru Mizuki liefert auch in diesem Werk den Zeichenstil, für den er bekannt ist. Die Hintergründe sind äußerst detailliert und realistisch gezeichnet, während die Figuren einen Cartoon-Charakter haben. Trotzdem gelingt es, dass sie nicht wie ein Fremdkörper in diesen fein ausgearbeiteten Umgebungen wirken.
Gleichzeitig fällt aber auf, dass der Mangaka in den historischen Erklärungsabschnitten – abgesehen von den sonst auftretenden Figuren um Otoko oder seiner Familie – auch die Figuren in einem sehr realistischen Stil zeichnet. Der Comedy-Charakter seine Werke rückt an diesen Stellen klar in den Hintergrund.
In einem solchen Werk lassen sich traditionelle Begrifflichkeiten Japans natürlich nicht vermeiden. Für diejenigen, die mit diesen Begriffen allerdings nicht firm sind, gibt es am Ende des Bandes ein ausführliches Anmerkungsverzeichnis.
Fazit & Bewertung
Ich habe den Band von der ersten bis zur letzten Seite genossen und die Zeit beim Lesen verging wie in Flug. Mizuki hat eine schöne Art zu erzählen und weiß seine Leser mitzuziehen. Ich für meinen Teil hoffe, dass wir weiterhin in den Genuss seiner Werke kommen und freue mich insbesondere auf weitere Teile dieser Trilogie.
“Shigeru Mizuki – Kindheit und Jugend” ist ein Manga vor allem für die erwachsenere Leserschaft, die sich mit einem der Größen in der japanischen (Manga-)Geschichte auseinandersetzen möchte und dafür eine charmante und lockere Lektüre sucht.
Vielen Dank an Reprodukt für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!
2 Comments
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13. Januar 2021 at 10:29Pingback:
1. September 2021 at 14:49