Herzlich willkommen auf meinem Mangablog. Hier findet ihr Rezensionen zu deutschen und englischen Manga sowie Beiträge über Themen und Aspekte, die mich an dem Medium interessieren. Ab und an schaue ich auch über den Tellerrand hinaus und schnuppere in Comic-Kunst abseits Japans hinein.

Yoshios Jugend - Rezension

Yoshios Jugend

[Anzeige, da Rezensionsexemplar]

Tsuge wurde 1937 in Katsushika, einem Bezirk von Tokio, als zweites von drei Kindern geboren und gilt als einer der wichtigsten Künstler des alternativen Mangas.

In die meisten seiner Werke fließen autobiografische Erlebnisse oder Träume ein. Über seine gesamte Laufbahn hatte Yoshiharu Tsuge, der auch zeitweise Assistent von Shigeru Mizuki war, mit Angstattacken und Depressionen zu kämpfen und auch sonst erzählt seine Biografie von einem bewegten Leben. Im Jahr 1987 zog er sich schließlich komplett aus dem Manga-Geschäft zurück.

Nachdem Reprodukt bereits Rote Blüten und Der nutzlose Mann veröffentlichte, ist Yoshios Jugend der dritte Kurzgeschichten-Band des Mangakas auf dem deutschen Markt.

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Text/Zeichnungen: Yoshiharu Tsuge |Übersetzung: Nora Bierich | Verlag: Reprodukt | Zielgruppe: Gekiga | Genre: Historisch, Drama | Preis: 24,00€ | Weitere Informationen

Wie war’s?

Tsuge ist ein bisschen wie eine ewige Wiedergeburt. Inzwischen sind drei Kurzgeschichtenbände des Mangakas auf dem deutschen Markt erschienen und jeder davon hat seine eigene Note.

Die in Yoshios Jugend gesammelten Erzählungen, die einen Zeitraum von 1973 bis 1981 abdecken, sind minimalistische Geschichten, in denen der Alltag der Armut ohne ideologischen Zwang und vor allem ohne Helden erzählt wird, weit entfernt von dem Symbolismus der Werke aus seiner ersten Schaffensphase in der Zeitschrift Garo.

Tsuges Blick, der niemals moralisch oder mitfühlend ist, ist in jeder Hinsicht entomologisch, selbst wenn er ihn auf sich selbst richtet. Es ist ein Blick, der die Handlungen seiner Figuren auf eine Reihe von Ursache-Wirkungs-Beziehungen reduziert, in denen jede Geste, ob aus Zuneigung oder Güte, und jeder Wunsch einer unverständlichen Logik zu folgen scheinen.

Die Geschichten lassen sich grob in zwei Kategorien einordnen. Es gibt die Kurzgeschichten, die mal mehr und mal weniger offensichtlich autobiografisch geprägt sind. Darin zeigt Tsuge, wie er seine Jugend wirklich erlebt hat. Die namensgebende Geschichte “Yoshios Jugend” ist mit ihren 80 Seiten eine der längsten Geschichten, die Tsuge je geschrieben hat.

Darin erzählt durch seine Figur Yoshio Tsube von einer Zeit in seinem Leben, in der er als 18-Jähriger Assistent von Akira Okada wurde. Eine spontane und unschuldige Erzählung, die nicht in die Bibliografie des Autors zu passen scheint, erinnert an den Mann, der er war, bevor er Jahre der Einsamkeit und Angstattacken durchlebte.

Diese Zeit war aber auch geprägt vom Niedergang der Leihbüchereien, die sein einziges Einkommen darstellten, und aus der er sich dank der Einladung von Shirato Sanpei, im Avantgarde-Magazin Garo zu veröffentlichen, befreien konnte. Gleichzeitig blickt Tsuge darin auf seinen Wunsch zurück, einen künstlerischen Manga zu schaffen. Der Autor berichtet durch Tsube von seinem Traum, im Manga zu experimentieren, da er glaube, dass dies der Anerkennung dieses Mediums, das damals noch als konsumierbar und wegwerfbar galt, zugutekäme.

Auch andere Kurzgeschichten passen in die autobiografischen Erzählungen. In “Zur Untermiete” berichtet er von einer Episode aus seinem Leben, in der er sich mit einem anderen Mangaka ein Zimmer teilte. Auch “Sommererinnerung” und “Der Unfall”, erzählen von zwei jungen Mangaka, die Ähnlichkeiten mit Tsuge haben.

Die anderen Geschichten betrachten den Alltag eines jungen Paares oder aber passen in Tsuges Traumgeschichten-Katalog und der Verschmelzung von Surrealismus und naturalistischem Realismus. Liebe und Gewalt gehen in diesen mehr oder weniger kurzen Erzählungen Hand in Hand. Es gibt keinen Platz für Sentimentalitäten, sondern eine unmittelbare Abfolge kleinerer Episoden, die in ihrer Gesamtheit schonungslos von einem Land mit vielen Widersprüchen erzählen.

Illustrativ lässt sich durchaus erkennen, dass die einzelnen Kurzgeschichten über einen relativ großen Zeitrahmen entstanden sind. Gemeinsam haben alle Storys aber einen eher feinen Strich und cartoonartige Charaktere. Viele der Geschichten verfügen darüber hinaus über detaillierte Hintergründe in den Panels. Herausstechen tun aus diesem Muster zwei Geschichten. “Das anschwellende Außen” besitzt einen eher einfachen Stil, der in Richtung Wasserfarben/Aquarelltechnik geht. “Der Job” wiederum ist sehr skizzenhaft und minimalistisch gezeichnet.

Die Bilder werden durch karge Dialoge und Bildunterschriften unterstützt. Oft wird aus der dritten Person erzählt.

Begleitet wird der Band von zwei ausführlichen textlichen Beiträgen. Während Toshiaki Kobayashi im Vorwort einen Blick auf Yoshiharu Tsuge und das Japan um 1968 wirft, befasst sich Garo-Redakteur und Manga-Forscher Mitsuhiro Asakawa im Nachwort ausführlich mit den einzelnen Geschichten aus Yoshios Jugend. Er zeigt die Entstehungshintergründe der jeweiligen Kurzgeschichten auf, ordnet sie ein und untermauert seine Forschung mit Originalzitaten von Mangaka Tsuge.

Es lohnt sich, sowohl das Vorwort als auch das Nachwort zu lesen, um so die enthaltenen Geschichten als auch den Entstehungsrahmen nachvollziehen zu können.

Reprodukt orientiert sich beid er Veröffentlichung am Design der vorherigen Tsuge-Sammelbände. Der Band hat einen festen Softcover-Umschlag, der sich durch sein Material sehr hochwertig anfühlt. Zudem sind auf dem Cover und dem Rückenbild transparente japanische Schriftzeichen angebracht, die erst beim richtigen Lichteinfall zum Vorschein kommen. Am Ende des Bandes gibt es ein ausführliches Glossar zu typisch japanischen Begriffen.

Zu beachten gilt es, dass der Verlag dem Werk eine empfohlene Altersfreigabe von 18 Jahren gegeben hat. Darüber hinaus wurde der Band mit einem Sticker versehen, der darauf hinweist, dass „sexualisierte Gewaltfantasien“ in dem Werk vorkommen.

Fazit

Wie auch bei den vorherigen in Deutschland veröffentlichten Werken von Tsuge kann der Band schwer zugänglich sein, denn viele Geschichten sind komplex und der Sinn der Erzählung – sofern es einen gibt – lässt sich nicht unbedingt sofort erkennen.

Durch die eher schwierigen Themen aber insbesondere der sexuellen Gewaltdarstellung in einigen der Geschichten ist der Sammelband nur der erwachsenen Leserschaft zu empfehlen, die gerne mal abseits des Mainstreams lesen und sich nicht davor scheuen auch mal einen herausfordernden Manga in die Hände zu nehmen.

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Bei diesem Band handelt es sich um ein Rezensionsexemplar, welches mir freundlicherweise von Reprodukt zur Verfügung gestellt worden ist. Vielen Dank dafür!

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