Mit dem neunten Band der Perfect Edition neigt sich die Veröffentlichung von Mushishi bei Manga Cult langsam dem Ende zu. Neben dem vorliegenden Band erwartet die Fans im Dezember nur noch der abschließende zehnte Band.
In Japan lief Mushishi seit November 1999 im Seinen-Magazin Afternoon von Verlagsriese Kodansha. Im August 2008 fand der Titel seinen Abschluss.
Yuki Urushibara wurde für Mushishi 2003 mit dem Media Arts Award als Preis für Exzellenz und 2005 mit dem Kodansha-Manga-Preis in der Kategorie “Allgemeines” ausgezeichnet. Der Manga wurde zudem als Anime adaptiert.
Text/Zeichnungen: Yuki Urushibara | Originaltitel: Mushishi | Verlag: Manga Cult | Zielgruppe: Seinen | Genre: Fantasy, Mystery | Übersetzung: Jan-Christoph Müller| Preis: 15,00€ | Großformat | In zehn Bänden abgeschlossen | Weitere Informationen & Leseprobe
Wie war’s?
Mushishi ist ein beruhigendes und zugleich kraftvolles Leseerlebnis. Der Manga ist anders als vieles, was auf dem Markt ist. Mushishi erzählt seine Geschichte durch die Kombination aus tiefgehenden Geschichten und mystischen Bildern, die eine ruhige und entspannte Atmosphäre schaffen. Im Gegensatz zu den meisten Mangareihen ist Mushishi episodisch erzählt, d.h. die Bände bestehen aus einer Sammlung von Kurzgeschichten, die aber alle miteinander verbunden sind, so dass man durchaus auch Dinge, die man in einer Geschichte gelernt hat, in einer anderen Story wiederfindet.
Im Fall von Mushishi funktioniert der episodische Erzählstil aufgrund der Art der Geschichten und der Art, wie Ginko von Ort zu Ort reist, um Menschen zu helfen, gut. Jede Geschichte zeigt uns, wie Mushi das tägliche Leben der Menschen beeinflusst haben, und präsentiert uns interessante Ansichten über das Leben. Nach außen mag Mushishi als ruhige, stimmungsvolle Serie gesehen werden, aber die Botschaften und Themen über das Leben sind in der Regel ziemlich ernst.
Ginko ist eine ruhige und zurückhaltende Hauptfigur mit einem leichten Sinn für Humor. Wir wissen nicht viel über ihn, aber wir wissen genug. Er ist keine leere Figur und wirkt wie eine echte Person. Er behält eine ruhige Art bei, während er seine Arbeit macht. Alles, was er möchte, ist, die Konflikte zwischen Menschen und Mushi zu lösen und beiden zu helfen, in Harmonie zu leben. Er glaubt, dass Mushi weder gut noch böse sind. Dass sie Lebewesen sind wie wir alle, auch wenn ihre Lebensweise manchmal mit der der Menschen kollidiert.
Wie der Großteil der Bände besteht auch der neunte und vorletzte Band von Mushishi aus insgesamt fünf Kurzgeschichten.
In “Ein Rest Karmesinrot” stößt Ginko auf ein älteres Ehepaar. Die Frau hat die Angewohnheit entwickelt, bei Sonnenuntergang in den nahen gelegenen Wald zu gehen und zu sagen, dass sie nach Hause zurückkehren muss. Ihr besorgter Ehemann erklärt Ginko, dass sie keine Erinnerungen an ihre Kindheit hat und auf unheimliche Weise in ihrem Dorf aufgetaucht ist, und zwar am selben Tag, an dem ein anderes Kind verschwunden war.
In der Geschichte greift die Mangaka auf eines der großen Elemente in der Reihe zurück. Viele Figuren, darunter auch Ginko selbst, haben Erinnerungen verloren. In den meisten Fällen ist das Element mit dem Verlust von ihrem Zuhause und ihrer Familie verbunden. Es geht viel um Heimat und der Suche nach einem Ort, der Geborgenheit.
Das Motiv der Erinnerung findet sich auch in der dritten Geschichte wieder. In “Die Sterne jenseits des Himmelskrugs” ist Izumi in einen tiefen Brunnen gefallen und in eine Schattenwelt übergegangen, die ihre eigene widerspiegelt. Sie hat ihre Erinnerungen verloren und kann nicht aus eigener Kraft zurückkehren. Anstatt die Erinnerung aufzufressen, unterdrückt der Mushi diese hier allerdings, und verhindert so, dass Izumi in ihre richtige Welt zurückkehren möchte.
In der zweiten Kurzgeschichte “Tosender Wind” trifft Ginko an Bord eines Schiffes auf einen jungen Mann namens Ibuki, der mit seinem Pfeifen Mushi kontrollieren kann, die Wind erzeugen. Er nutzt seine Kraft, um das Schiff, auf dem er arbeitet, anzutreiben. Der Wind erscheint Ibuki als weiße, fließende Vögel namens Torikaze. Ginko gibt dem jungen Mann eine Warnung mit auf den Weg: Pfeife nicht in der Nacht, sonst “wird etwas Schlimmes passieren”.
Als der Abend naht, pfeift Ibuki irrtümlich nachts. Als er zunächst nichts sieht, pfeift er erneut. Plötzlich füllt sich das Schiff mit Löchern, die durch eine Flut von schwarzen, schlangenartigen Mushi entstehen.
An der zweiten Geschichte zeigt sich, dass Mushishi in vielen seiner Geschichten stark von der traditionellen japanischen Folklore, den Mythen, Legenden und den Aberglauben beeinflusst ist. So heißt es, man sollte in der Nacht niemals pfeifen, weil sonst die Schlangen herauskämen. Die Yobiko, die Ibuki nachts hervorruft ähneln Schlagen dabei enorm und sorgen zunächst für Unheil auf dem Schiff und später in seine Familie.
“Tosender Wind” dreht sich um die Dysfunktionalität in Ibukis Familie. Zwischen ihm und seiner Mutter gibt es ein kaltes Verhältnis und sie scheint nur zu kümmern, dass er genug Geld mitbringt, was auch bei ihm dazu führt, dass er für sie nichts mehr empfindet. Während er zunächst nur aus Versehen die Yobiko herbeiruft, die seine Mutter krank machen, ruft er sie später noch einmal, wohlwissend, was passieren wird. Wie so oft sind es also nicht die Mushi, die die wahre Gefahr sind, sondern die Menschen, die sie missbrauchen.
Im neunten Band von Mushishi ist auch das Scheitern von Ginko ein Thema. Nicht immer schafft es der begabte Mushishi, den Menschen zu helfen und nicht all seine Ideen sorgen zur Lösung eines Problems bei.
In “Azurblaues Wasser” lernt Ginko eine alleinerziehende Mutter kennen, die mit ihrem Sohn am Fluss lebt. Die Haut des Jungen ist kalt wie die eines Fisches, er ist ein hervorragender Schwimmer und fühlt sich fast jede wache Minute zum Wasser hingezogen. Er hat sogar Schwimmhäute zwischen seinen Fingern und Zehen, und wenn er weint, bewegen sich seine Tränen auf seltsame Weise, als ob sie lebendig wären. Es sind Mushi, wie Ginko schnell herausfindet. Ginko ist mit dem Verhalten dieser Mushi vertraut und vermutet, dass der Junge nur so enden konnte, weil er kurz vor dem Ertrinken stand. Als er die Wahrheit herausfindet, ist es allerdings schon zu spät und eine Entscheidung des Mushishi hat schlimme Folgen.
Auch in “Gräsernes Kissen” geht es um einen Fehler, den Ginko begeht, allerdings in deutlich jüngeren Jahren. Wir treffen den jungen Ginko einige Zeit nach den Ereignissen mit Nui und dem Tokoyami-Mushi wieder. Suguro, ein Mushishi, nimmt Ginko für einen kurzen Aufenthalt bei sich auf.
Ginko kämpft darum, seinen Platz in der Welt zu finden. Er ist immer noch ein Außenseiter, wird immer noch weggestoßen, oder schlimmer noch, von skrupellosen Mushishi ausgenutzt, die sich auf seine Kosten bereichern wollen. Und doch hofft Ginko weiterhin auf Akzeptanz.
Die große Lektion des jungen Ginkos in dieser Geschichte ist, wie man Mushi behandeln sollte. Sie für die eigenen Zwecke zu benutzen, führt immer zur Katastrophe und setzt einen Kreislauf des Leidens fort.
Yuki Urushibara verwendet einen kratzigen, fast rauen Strich mit einigen Schraffuren. Die Mangaka arbeitet viel mit abgeschlossenen, durch Linien begrenzte Panels, bricht diese starren Muster aber auch auf und es gibt ebenso Panel, die ohne klare Abgrenzung funktionieren. Diese sind in den anderen Panels eingebettet und wirken dadurch wie eine weitere Ebene. Besondere Szenen hebt sie durch große Panels hervor.
Fazit
Mushishi bleibt auch im neunten Band ein intensives Leseerlebnis mit einer schönen Kombination aus Erzählung und atmosphärischen Zeichnungen, was eine ruhige, aber eindringliche Welt erschafft.
Nach außen mag Mushishi als ruhige, stimmungsvolle Serie gesehen werden, aber die Botschaften und Themen über das Leben sind in der Regel ziemlich ernst und sorgen dafür, dass die Leserschaft auch nach Zuklappen des Bandes lange über die Kurzgeschichten nachdenkt.
Weitere rezensierte Bände der Serie
Band 1 | Band 2 | Band 3 | Band 4 | Band 5 | Band 6 | Band 7 | Band 8
Bei diesem Manga handelt es sich um ein Rezensionsexemplar, welches mir freundlicherweise von Manga Cult zur Verfügung gestellt worden ist. Vielen Dank dafür!